In den zwei Jahren der Pandemie sind die kulturelle Veranstaltungen zwar eingestellt, andererseits hatten viele Künstler in der Zwangspause die Möglichkeit, nachzudenken, sich vielleicht neu zu orientieren oder sich in dieser Zeit des Umbruchs neu zu entdecken. Um den Künstlern zu helfen, hat die Bundesregierung das Paket „Neustart Kultur“ beschafft und damit vielen Institutionen und Künstlern die Möglichkeit gegeben, ihre Ideen, die Früchte der Besinnungszeit, umzusetzen und vielleicht neue Wege zu gehen, in einer „Post-Pandemie"- Zeit, vielleicht digitaler, grüner oder sparsamer.
In den fünf Jahren meiner Tätigkeit als Leiterin von Ars Augusta e.V. habe ich mich von den Signalen der Zeit leiten lassen und langsam neue Talente in mir entdeckt. Wo ich anfangs nur ein Sopran war, nun wo ich 50 werde, erwäge ich eine Neuorientierung in Bereichen, in denen ich sicher auch Talent habe. Ich habe schon die künstlerische Leitung komplizierter Projekten hinter mir. Dabei hat mich die Forschung der Musik und der historischen Zusammenhänge immer sehr interessiert. Ich möchte nun diese Aufgaben: der Forschung und der Förderung jungen Talenten weiter vertiefen und verbinden. Ich finde also in Görlitz eine Aufgabe die mich erfüllt.
Vom ersten Moment an, erkannte ich in der Region zwei Elemente, die großes Potenzial hatten. Einerseits war es das reiche kulturelle Erbe der Region, andererseits die Kraft dieses kulturellen Erbes, über Grenzen und Zeiten hinweg friedensstiftend zu wirken.
Die in Deutschland so weit verbreitete Tradition der eingetragener Vereine, die auch in Görlitz einen hohen Stellenwert hat, lässt durch ehrenamtliches Engagement viel Gutes bewirken. Das kommt mir sehr entgegen, denn der Einsatz für eine gute Sache war mir immer wichtiger als der persönliche Gewinn. Meine persönliche Karriere war eigentlich nie so wichtig, wie der Kraft der Musik zu dienen, und damit Gutes für meine Umgebung und Zeit, egal wo ich wohne, zu leisten. Solche geistliche Arbeiter braucht eigentlich unsere Region und Europa im Allgemeinen, heute wieder!
Mein Verein widmet sich der Förderung von Kultur und Völkerverständigung, Ziele, die in den fünf Jahren seines Bestehens von Mitgliedern, Künstlern, Förderern und der Öffentlichkeit sehr stark unterstützt wurden.
Ein Barockensemble wurde gegründet und dann eine Akademie (Academia Ars Augusta), mit der wir schon viele Opernprojekte mit jungen Künstlern durchgeführt haben, dazwischen die Uraufführungen zweier Barockopern, eine aus dem Dresdner und eine aus dem Breslauer Kulturerbe. 2021 entdeckte ich die Zusammenarbeit zwischen dem Dresdner Frühbarock-Komponisten Heinrich Schützt und dem schlesischen Dichter Martin Opitz, durch ein von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien über die Kulturabteilung Schlesien des Schlesischen Museums Görlitz und die Mitteldeutsche Barockmusik e.V gefördertes Projekt.
Das Musikalische mischte sich in allen diesen Projekten mit dem Historischen.
Unsere Region war nie nur ein Kulturraum, in dem große Künstler wirkten, sondern auch Schauplatz bedeutender historischer Ereignisse: der Dreißigjährige Krieg, die Napoleonischen Kriege, die Wirkung der Wettiner als Könige von Polen, die Reformation, die Gegenreformation u.s.w.
Wie viel Krieg und wie viel Geist! Welche Friedenssehnsucht und wie viel Weisheit steckt in der Musik und Literatur der Region. Die Klassik von Elbflorenz, die wunderbare Beziehung zwischen Dresden und Warschau aber auch das Kulturerbe der Protestantismus. Böhmisch, Sächsisch, Polnisch und Preussisch: Die Entdeckungsreise der Geschichte der Region geht auch nach Corona weiter und ich entdecke auch in mir die Forscherin.
Der Wunsch aber eine Theater- und Musikakademie zu gründen, an der Künstler zu den klassischen Wurzeln des Theaters und der Oper zurückkehren können, bleibt in meinem Sinn weiterhin wach. Daher werde ich diese Forschung mit der Organisation akademischer Projekte für junge Musiker verbinden. Es scheint mir ein wunderbarer neuer Weg zu sein.
Dazu versuche ich auch europäische Kooperationen mit anderen Institutionen aufzubauen, etwa dem Königlichen Museum in Łazienki in Warschau, wo es noch ein sehr gut erhaltenes Barocktheater gibt. August Poniatowski der das gebaut hat, war für mich ein faszinierender Herrscher, der (wie August III) nicht genügend gewürdigt wird. Ein aufgeklärter König, der Europas erste Verfassung schrieb, die Künste förderte, das Theater liebte, europäischen Frieden wünschte.
Johann Christoph Richter
Auf der Suche nach vergessenem Material aus der Sammlung Augusts III. wollte ich unbedingt Opern entdecken die Johann Adolf Hasse für Hubertusburg und Warschau schrieb: wie "Il re pastore". Während dieser Suche stieß ich zufällig auf einen Komponisten in Dresden, der in mir viele Fragen weckte. Johann Christoph Richter (Dresden 1700-1785). Über ihn ist sehr wenig bekannt. In der Königlichen Privat-Musikaliensammlung in der SLUB findet man einige Sonaten und Symphonien sowie zwei Opern von ihm. Im Archiv mit 1751 datiert, könnte seine "Il re pastore" Oper die erste Vertonung von Metastasios Libretto "Il Re Pastore" sein. Aber sie wurde wahrscheinlich später und parallel zu Hasses "Il re pastore" geschrieben, die 1755 in Hubertusburg und 1762 erneut in Warschau aufgeführt wurde. Während Hasse die Oper in Warschau aufführte, erschien die Oper wahrscheinlich in deutscher Sprache in Dresden. Moritz Fürstenau in seinem Buch "Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hof zu Dresden" (Dresden, 1862) nennt 1762 als Aufführungszeit der Oper von Richter.
Aber wie kann das sein? um 1760 wurde Dresden von Friedrich dem Großen total zerstört, dann begann der Wiederaufbau. Hat Richter in dieser Ruinenstadt eine Oper geschrieben? Für wen?
Warum hat er nicht, wie damals üblich, das italienische Libretto verwendet? Er nahm die deutsche Übersetzung des Librettos der Hasse-Oper und schrieb eine Oper nach diesem deutschen Text – als August III und sein Hof in Warschau war und in Dresden lauter preußischer Soldaten.
Eine Oper auf deutsch zu schreiben ist nicht so selbstverständlich, wie es aussieht. Das Thema deutschsprachige Oper haben wir im Opitz-Schütz-Projekt angesprochen. Eigentlich genau hier in Sachsen schrieb Heinrich Schütz die erste deutsche Oper "Dafne" (1627). Dafür übersetzte ihm Martin Opitz das Libretto von Rinuncini zu Peris Oper „Dafne“, einer der ersten Opern überhaupt.
Aber die Oper gehört zur katholischen Kultur und wurde meistens auf italienisch gespielt. Dennoch es gab schon sehr früh im deutschsprachigen (meistens protestantischen) Raum Komponisten die es wagten auf Deutsch nicht nur Kantaten und Messen sondern auch Opern zu schreiben. Im Repertoire des Hamburger Theaters am Gänsemarkt erscheinen schon ab 1690 Opern von Keiser, Mathesson oder Händel und Telemann auf deutsch. Aber am Hof des katholischen Königs von Polen in Dresden, dessen Opernhaus 1719 mit Lottis "Giove in Argo" eröffnet wurde, spielten die Opern eher auf italienisch. Machte deswegen der Protestant Johann Richter in der Zeit August III. keine bedeutende Karriere als Opernkomponist?
All diese Fragen sind spannend und würden möglicherweise auch historische Aspekte der Zeit beleuchten. Gab es damals in Dresden Gegensätze zwischen Protestanten (Mehrheit) und Katholiken (Minderheit, aber auch Königsreligion), wie standen die deutschen Musiker zu König August III und seinem Hof?
Richter war jedenfalls vor allem Hoforganist. Und auch einer der Musiker, die in Dresden das Instrument Pantaleon spielten. Hat er weitere Werke oder Kantaten geschrieben? Wo befinden sich seine Orgelwerke?
Und schliesslich, die spannendste Frage wäre: wie klingt seine Musik? Bis heute wurde nichts gespielt (wie eine Suche im Internet beweist). Deshalb wäre es interessant, diese Musik in diesem für uns Jubiläums-Jahr erstmals mit Hilfe der Academia Ars Augusta und des Lausitzer Barockensembles erklingen zu lassen.
Zuerst muss man allerdings diese Musik aus dem Manuskript in moderne Notation bringen. Ich habe bereits begonnen, dies auf "MuseScore" zu schreiben. So mache ich es auch mit seiner zweiten Oper, die im 1764 zum Geburtstag der Witwe Maria Antonia geschriebene Oper „il Natal di Giove“, ebenfalls nach einem Libretto von Metastasio. Da Maria Antonia von Bayern eine Katholikin war, versteht sich wenn Richter sie auf italienisch schreibt. Aus dieser Oper habe ich ebenfalls eine Arie geschrieben, die Schlussarie mit der, der Sänger an Antonia wünscht, der Gott möge sie beschützen. Die Melodie ist edel mit einer gewissen Melancholie, emphatisch vielleicht mit der Witwe für den Verlust des Mannes Kürfürsten Friedrich Christian, ein Jahr davor im zerstörten Sachsen. Interessant in dem Stück ist auch das Rezitativ mit Orchester, das schon ein neues Element in der Musik der Zeit ist. Die Arie möchten wir mit dem Lausitzer Barockensemble am 8.Juli während unseres Jubiläumskonzert spielen.
Ich bin mir sicher, dass das Abenteuer dieser Recherche, ob es um viele oder wenige Informationen über den Komponisten und seine Zeit in Dresden geht, seine Musik auf jeden Fall zum Klingen bringen wird. Und das sogar sehr bald: Nach dem Julikonzert, auch im September im Rahmen eines Workshops im Schloss Königshain im Rahmen eines Projektes des Programms „Landmusik“ des Deutschen Musikrates.
Wir bedanken uns an die Bundesregierung für diese Förderung und wünschen uns allen Künstlern, einen guten Neustart!
Projekte:
"Sachsens Opernschätze entdecken" Forschungsprojekt über Johann Christoph Richter. Gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR. Zeitraum: Mai-September 2022.
„Sachsens Barock! gemeinsam erleben“ (Programm "Landmusik) gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Zeitraum: Mai-September 2022.
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