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AutorenbildEleni Ioannidou

Meine Erzählung über das Lausitz Festival

Vor einigen Wochen erschien in der Sächsischen Zeitung ein offener Brief lokaler Kulturschaffender über das Lausitz Festival. Dieser Brief hat eine Diskussion angeregt: Es wurden Themen besprochen, über die wir lokale Kulturschaffende seit Jahren miteinander sprechen und die wir nun mutig in die Öffentlichkeit bringen möchten. Deshalb möchte ich auch meine bescheidene Meinung zu diesem Thema in aller Offenheit äußern. Ich möchte die Leser aber vorab warnen: Das ist kein „J’accuse“. Für diese Zustände ist niemand verantwortlich: allerdings gilt es die Probleme, die wir Kulturschaffenden vor Ort in der Lausitz haben, zu berücksichtigen und nach Lösungen zu suchen. Hier teile ich meine eigene Erfahrungen und Ideen mit großer Ehrlichkeit. Für jede Diskussion bin ich, wie immer, dankbar!



Wir Görlitzer und Neugörlitzer

Seit ich in Görlitz angekommen bin, war mein erster Impuls, mich mit lokalen Künstlern und Initiativen zu vernetzen. Es ist tatsächlich ein sinnvoller Impuls, wenn man in eine Region kommt, sich über die Menschen und das kulturelle Erbe dieser Region zu informieren. Ich habe Neithard Bethke und Anja Uhlemann mit dem Hochschulchor entdeckt und mich für die Aufführung der Werke des Zittauer Komponisten engagiert, ich habe die Kultur rund um den Meetingpoint Musik Messiaen bewundert und natürlich habe ich versucht, Künstler für mein Barockensemble bei der PhilMehr e.V. zu finden, die zufälligerweise gerade Barockmusik machen wollten: die meisten dieser Kontakte funktionierten gut.

Mir ist ausserdem aufgefallen, dass die Kulturschaffende in Görlitz die Neuankömmlinge teilweise mit Misstrauen betrachteten und mehr auf Konkurrenz als auf Zusammenarbeit setzten. Diese Tendenz zur Verschlossenheit gegenüber allem, was von außen kommt, ändert sich aber mit der Zeit – es reicht, dass sie ein wenig Vertrauen gewinnen. Später erfuhr ich, dass die Gelder für die lokale Künstler und Vereine – so gering waren, dass es kein Wunder war, dass sie alle mit Misstrauen auf fremde Ankömlinge blickten.


Mir ist auch aufgefallen, dass es nicht viele freiberufliche Künstler gibt, die Musik auf einem bestimmten hohen Niveau spielen können, insbesondere wenn es um Alte Musik geht, aber das Potenzial, etwas zu bewirken, damit dieses Niveau steigt, ist vorhanden: Man musste es einfach nur fördern. Aber Förderung bedeutet Geld, und das ist hier – wie gesagt - sehr wenig und umkämpft. Deshalb blicken hier alle mit großer Hoffnung auf die Mittel für den Strukturwandel.


Manchmal erscheinen Neugörlitzer Musiker der Extraklasse in der Stadt. In der SZ findet man immer wieder Artikel über diese Newcomer, was mich immer wieder dazu inspiriert, sie in unsere Projekte einzubeziehen. Viele von ihnen sind inzwischen wieder ausgewandert. Aber einige leben noch hier, herausragende Künstler wie der Pianist Mark Ehrenfried oder Frank Pschicholz und Maria Skriba.

Es ist klar, dass die Menschen, die sich trotz aller Schwierigkeiten dazu entschließen, hier zu leben, unterstützt werden sollten, und auch wenn sie nicht auf dem Niveau von Musikern in in Hamburg oder Berlin sind. So wird die Stadt attraktiver: indem wir zeigen, dass die Menschen, die hier kommen, geschätzt und gefördert werden und es es sich lohnt, nach Görlitz zu kommen und hier zu leben.


Wir die "Provinzler"

Das erste Anzeichen dafür, dass Kulturschaffende aus der Großstädten uns hier in der Region als „Provinzler“ betrachten und daher nicht für eine Zusammenarbeit geeignet, war der erste Mensch, der mit den Lausitz Festival in Verbindung steht, Prof. Daus.


Ich möchte der schönen Erinnerung an Herrn Ulf Großmann auf diese Weise nicht schaden. Herr Großmann, der Prof. Daus nach Görlitz eingeladen hat, war ein toller Mensch; Ich selbst hatte fantastische Erinnerung an ihn. Er wusste wahrscheinlich nicht, was los war, als er Prof. Daus und der Europa-Chor-Akademie die Tore von Görlitz öffnete. Doch schon damals warnten viele Kulturschaffende und es steckte nicht nur Neid dahinter. Niemand hörte diese Menschen zu. Vielleicjt auch die Politiker sehen sie als "Provinzler".


Neithard Bethke und Reinhard Seliger kannten Prof. Daus. Wenn jemand damals ihre Warnungen hören wollte und sich eine eigene Meinung bilden wollte, konnte er Nachrichten im Internet lesen, wie über die Insolvenz in Bremen und die Probleme, die eine Berliner Singakademie mit Daus hatte, bevor sie ihn wegschickte. Es bestand also nicht nur die Befürchtung dahinten, dass Daus und die ECA Konkurrenz zu dem Bach-Chor machen könnte und die gigantische Arbeit der lokalen Chorleiter bei der Umsetzung ihrer Projekte in einer Stadt voller alter Menschen schaden würde.

Es war tatsächlich Daus‘ Charakter, der nichts Gutes für die Zukunft verhieß.


Ich war zu diesem Zeitpunkt gerade in Görlitz angekommen und war im Meetingpoint ehrenamtlich engagiert, um die Erste Messiaen-Tage auf die Beine zu stellen. Prof. Daus war dann mit Silvain Camberling zu uns gekommen, um die Europa- Chor-Akademie in Görlitz zu bringen, Idee die ich sehr schön fand. Ich habe mich deswegen sehr dafür eingesetzt, ihm den Weg zu ebnen, also Proben in STALLAG etc. In einem Treffen in Dresden, wo er in einem Hotel wohnte, hat er mir tatsächlich erzählt, dass er die Görlitzer als „Provinzler“ sieht, weil die Kommunikation nie richtig funktioniert (was leider auch damals stimmte). Ich hätte der Ausage „Provinzler“ mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Nachdem ich geholfen habe und ECA in Görlitz Fuß gefasst hat, wurde mein Engagement nie wirklich anerkannt. Jede Bitte um Kooperation wurde mir verweigert.


Diese Institution hat sich in der Stadt dann als ein Fremdkörper entwickelt, erhält aber viel Förderung von der Stadt – wenn ich mich nicht irre, die Unterkünfte und Proberäume.

Es handelt sich also um eine Institution mit Künstlern die nicht hier wohnten aber das Geld verwendeten, das für die Region bestimmt war. Aber wenn man mit dem Bürgermeister darüber sprechen wollte (ich besinne mich auf ein Gespräch über das Thema mit Herrn Hummel auf FB), wird man nur zum Schweigen gebracht: Man muss sich damit abfinden, dass die ECA ihren Sitz in Görlitz hat, es ist also eine Görlitzer Institution, unabhängig davon, ob die Künstler hier leben oder nicht.


In der Zwischenzeit verfolgte die Stadt tatsächlich weiterhin die gleiche Politik wie immer. Für die einheimischen Kulturschaffenden, die weiterhin ihren Lebensunterhalt hier bestreiten mussten, gab es wenig Unterstützung – Künstler und Institutionen außerhalb der Stadt wurden eingeladen. Ich hatte immer das Gefühl, dass die Gemeinde Görlitz mit ihrer Politik die Menschen dieser Stadt nicht genug wertschätzt, aber alle große Namen ausserhalb schon.

Als also die Leute des Lausitz Festivals – und das sind die gleichen, die der Europa-Chorakademie verbunden sind – dieses Festival anregten, wurden sie von der Stadt Görlitz sofort mit offenen Händen empfangen.


In diesem Punkt möchte ich nicht alle Leute, die in den Görlitzer Ämter sitzen, schlecht reden. Sie sind wundervolle Menschen! Ich bin nur dankbar für alle Arbeitende im Schlesischen Museum, Rabryka, Volkshochschule, beim Herrn Mühle, und bei der evangelischen Innenstadtgemeinde. Aber die politische Richtung oben ist nicht das was diese Menschen sind und tun. Es gibt eine bestimmte Kluft zwischen Görlitzer und ihre Politiker.


Schwierige Kommunikation

Es war Herr Mühle, der sehr nett mir empfohlen hat, den Lied-Wettbewerb mit den Lausitz Festival zu verbinden, da dort viel Geld fließt, das der Kulturraum nicht hat. Ich habe mehrmals versucht, Kontakt zum Festival aufzunehmen, was sehr schwierig war, da es zu diesem Zeitpunkt noch kein richtiges Impressum auf der Website gab. Sie waren unerreichbar. Auch der Kontakt, der Herr Mühle mir gegeben hat, blieb irgendwie schweigsam.

Aber ich ließ nicht locker. Irgendwann meldete sich Herr Kühnel bei mir und meinte, dass er den Wettbewerb für eine tolle Idee halte, dass er sogar mit einigen der Juroren zusammengearbeitet habe und dass er gerne den Wettbewerb mit dem Festival verbinden würde unter der Bedingung, dass eine Person vom Festival Mitglied der Jury sein sollte: Wunderbar! Ich habe dann monatelang versucht, das herauszukristallisieren, aber es kam nichts heraus: Sie zeigten einfach kein Interesse, antworteten auch nicht. Jegliche Kommunikation mit uns blieb verschlossen.


Vor einem Monat war ich in Cottbus – in einer Veranstaltung über die Kulturförderung in der Lausitz, bei der auch das Lausitz Festival einen Stand hatte und angeblich wir alle die Möglichkeit hatten mit den Verantwortlichen des Festivals zu sprechen. Ich habe die Gelegenheit genutzt und gefragt, warum das Lausitz Festival nie auf meine Anfragen antwortet? Er entschuldigte sich, gab eine Ausrede und eine Visitenkarte, an die ich schreiben konnte. Ich habe das getan und warte noch auf eine Rückmeldung.


Ich möchte nicht sagen, dass sie niemals lokale Künstler engagieren. Unsere Susan Joseph wurde vor zwei Jahren für ein Konzert engagiert und freute sich riesig, weil sie nie zuvor ein so hohes Honorar erhalten hatte! Aber es gibt nur sehr wenige lokale Künstler, die die Künstlerische Leitung auf der „Ebene“ des Festivals erkennt.

Sie machen auch nie eine Ausschreibung oder Einladung für Kulturschaffende ihre Projekte vorzustellen, die sie dann professionel begleiten können, damit sie auch besser werden.


Keine Schuld sondern Unbewusstheit

Ist es wirklich Schuld des Lausitz Festivals oder der Europa Chorakademie, wenn sie so viel lokales Geld für ihre Projekte erhalten? Oder ist die Politik der Stadt Görlitz, Künstler und Manager von ausserhalb die Lösungen für die Probleme der Stadt zu sehen und nicht in uns, den Menschen vor Ort und unserem Potenzial? Eine mehr humanistische Sicht auf uns fehlt. Wir sehen nicht so glamourous aus, aber wir sind die Menschen, die hier leben, jeder von uns ist ein kleiner Schatz in Erwartung entdeckt zu werden!


Vorgestern begegnete ich im Supermarkt einen jungen Mann, der in der Hochschule Kulturmanagement abgeschlossen hat. Er war vor der Pandemie frisch, jung, voll Elan und Träume für die Zukunft. Vorgestern aber war er müde, er sah krank aus: Sein Job? Engagement in einem Sozio-Projekt, vielleicht HarzIVer. Das ist keine humanistische Politik für die Jugend dieser Stadt!


Ich hoffe wirklich, dass unsere Bürgermeister und Ämter dies erkennen und ändern. Das Geld soll an uns, für unsere Fortbildung und Förderung gehen. Wenn die berühmte Künstler von außerhalb hier etwas bewegen wollen, dann eventuell unser Nachwuchs ausbilden, damit wir uns hier gut entwickeln können. Es gibt keine bessere Investition als in Bildung und Infrastruktur: Managementschulung, Nutzung europäischer Programme, zukunftsweisende Fördertechniken, Öffnung von Büros für Projektschreiben, Länderentwicklungsberater.

Ich habe in meinem Erasmus+ Projekt erfahren, dass Länder wie Polen und Slowenien die europäischen Fördermittel voll ausschöpfen und sich deshalb gut entwickeln. Aber wir hier in Deutschland nutzen diese europäische Fördermittel nur sehr wenig, weil wir nicht einmal wissen, dass es so etwas gibt. Die Ausbildung um die Fördermittel als Individuen und Vereine zu nutzen, uns selbstständig tun und selbst für unsere Träume kämpfen, das fehlt uns Einheimischen. Humanismus heisst: dem Menschen lehren, selbst auf die Beine zu stehen, sich selbst erkennen und in sich selbst glauben. Nur dann kann eine Renaissance anfangen.


Inspiration für die Zukunft?

Ich möchte mit einer letzten Bemerkung schließen. Die Meinung, dass wir Einheimischen „Provinzler“ seien, mit denen man kulturell nichts Gutes anfangen könne, habe ich vor einem Monat auch von einer anderen Münchner Institution gehört, die derzeit wohl die Leitung der Schlesischen Musikfeste übernimmt. Die BSCW-Stiftung ist der Meinung, dass auch dieses Festival mit bekannten Namen organisiert werden sollte und nicht mit ohnehin nur mittelmäßigen Einheimischen. So beschliessen die Schlesische Musikfeste gGmbH, ihm freie Hand zu lassen, genau den gleichen Fehler, den die Stadt Görlitz bei dem Lausitz Festival begangen hat.


Aber ich muss an die Philosophie dieses wunderbaren Menschen Bolko von Hochberg denken, der damals in seinem Festival verstand, lokale Künstler mit großen Namen zu verbinden. Bolko von Hochberg ist eine Inspiration dafür, wie man ein Lausitz oder Schlesien Festival in der Region organisieren sollte: Die Menschen vor Ort sind Träger und Zielgruppe und daher von erster Wichtigkeit.

Es liegt daher in der Verantwortung der örtlichen Institutionen und Ämter, die Macht über das Geschehen in der Stadt und ihre Zukunft nicht an Menschen außerhalb der Lausitz zu übertragen sondern auf humanistischer Weise ihre Augen auf die Menschen vor Ort zu werfen, und sie in ihrer Entwicklung liebevoll zu begleiten.

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