Am 26. Mai beginnt in seiner Geburtsstadt, der schlesischen Kleinstadt Nowogrodziec (damals Naumburg am Quais), die 15. Ausgabe des Festivals „Musik bei Joseph Ignaz Schnabel“. Der Komponist und Kulturmensch lebte zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Breslau, wo er nach den Napoleonischen Kriegen das Musikleben neu organisierte. Von der Festival-Website übersetze ich die Biografie dieses bemerkenswerten Mannes, der Brücken zwischen Ost und West baute und ein großartiger Komponist war. Der Autor des Textes ist Miłosz Kula.
Zu hören ist eines seiner erfolgreichsten Stücke: das Quintett für Streicher und Gitarre.
Betrachtet man die Biografie von Joseph Ignaz Schnabel „aus der Vogelperspektive“, kann man auf den ersten Blick den Eindruck gewinnen, dass er ein Provinzkünstler war, der den Lauf der Musikgeschichte nicht veränderte und dessen Wirken keinen großen Wirkungskreis hatte. Erst die Zusammenfassung seiner Konzert-, Kompositions- und Lehrtätigkeit zeigt, dass sein Beitrag zur Gestaltung der Musikkultur Schlesiens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts enorm war. Andererseits zählt Schnabel mit seinem Gesamtwerk zu den drei oder vier herausragendsten Persönlichkeiten der gesamten schlesischen Musikgeschichte.
Erste Jahren
Er wurde am 24. Mai 1767 in Nowogrodziec nad Kwisą (damals: Naumburg am Queis) im Pfarrhausgebäude der Pfarrkirche an der heutigen ul. Kościelna geboren. Sein Vater, Joseph Victor (1743–1809), war Kantor in der Pfarrkirche Nowogrodziec. Mutter, Anna Maria geb. Girbig, stammte aus einer Bäckerfamilie. Wie sich später herausstellte, war Joseph Ignaz der bedeutendste Vertreter der Familie schlesischer Musiker, die neben dem oben genannten Vater, von den Brüdern Michael (1775–1809) und August (1795–1863) sowie seinem Sohn Michael-Carl (1809-1881) mitbegründet wurde. Als Sechsjähriger zeigte der kleine Jospeh ein außergewöhnliches musikalisches Talent. Er fiel damals wegen seiner schönen Stimme auf. Von seinem Vater erhielt er seinen ersten Musikunterricht – im Bereich Gesang, Geige und Tasteninstrumente. Der auf diese Weise vorbereitete Junge wurde im Laufe der Zeit zu einem wichtigen Assistenten und bereicherte mit seinen Fähigkeiten die musikalische Gestaltung der Liturgie und Gottesdienste in der Pfarrkirche St. Peter und Paul. Mehrjähriges Studium gepaart mit umfassender Praxis führte zu einer soliden Fachkenntnis eines jungen Musikers, der sich nicht nur in seiner Heimatstadt erfolgreich präsentieren konnte.
Studium in Breslau
Als Dreizehnjähriger kam der Komponist 1779 zum ersten Mal nach Breslau. Anschließend begann er seine Ausbildung am St. Matthäus und erhielt eine Ausbildung als Kirchensänger (Sopran) am katholischen Gymnasium der Abtei St. Vincent. Die Aufnahme in die Schule erfolgte durch Ignaz Pachmann, der damals den Chor leitete.
Aufgrund chronischer Ohrenprobleme musste der 19-jährige Schnabel in das Haus seiner Familie zurückkehren. Aufgrund der in Breslau erworbenen Kenntnisse bereitete er sich jedoch selbstständig auf den Beruf eines Musiklehrers vor.
Über die Jahre seines Lebens, die der Komponist im Umland von Nowogrodziec verbrachte, wissen wir nicht allzu viele Einzelheiten. Einer der bestätigten Berichte besagt, dass er sich im Herbst 1790 geheiratet hat. Wir wissen, dass Joseph Ignaz zu dieser Zeit bereits Lehrer und Angestellter im nahegelegenen Parzyce (Paritz) war. Zu dieser Zeit gibt es eine intensive Aktivität des Knabenchors und des Orchesters, bestehend aus Schülern der örtlichen Schule. Die Konzerte der Ensembles sind nicht nur in Parzyce selbst, sondern auch in den umliegenden Städten dokumentiert. Es ist wahrscheinlich, dass es Schnabel war, der dieses Orchester gründete und es sicherlich acht Jahre lang leitete.
Wiederkehr nach Breslau
Auf Empfehlung von Chorleiter Johann Steiner wurde Schnabel im März 1797 zum Organisten an der Kirche der Hl.Klara. Er kehrte auch in die Abtei St. Vincent zurück. – diesmal nicht als Student, sondern als ausgebildeter Geiger. Ein Jahr später wurde er Konzertmeister im Orchester des Stadttheaters (eine Institution, die als Vorläufer der heutigen Breslauer Oper gilt). Erwähnenswert ist hier, dass er 1804 gegen die Anstellung des jungen (erst achtzehnjährigen) Carl Maria von Weber als Direktor dieser Anstalt war. Aus Protest verließ er das Künstler-Ensemble. Durch die Aufnahme von Kontakten zu den Musikern des Orchesters und anderen Künstlern nahm seine Karriere in Breslau jedoch fortan Fahrt auf. Dies gab Schnabel die Möglichkeit, nicht nur auf den Konzertplakaten zu erscheinen, sondern auch in der Presse. So wissen wir, dass er die Breslauer Uraufführung von W. A. Mozarts "Requiem" (im Jahr 1800) und Joseph Haydns "Die Schöpfung" leitete, die ab 1801 jedes Jahr für die nächsten dreißig Jahre unter seiner Leitung aufgeführt wurden.
Ab 1803 unterrichtete er am Katholischen Lehrerseminar in Breslau, wo künftige Musiklehrer Fähigkeiten erlangten, um die örtliche Gemeinde im Rahmen der Amateurbewegung musikalisch zu machen.
Ein Ausdruck der wachsenden Bedeutung Schnabels im Breslauer Musikleben war die Beauftragung der musikalischen Gestaltung der Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Gründung der Breslauer Universität. Es wurde dann eine feierliche Kantate seines Autortums durchgeführt, die speziell für diesen Anlass komponiert wurde. Leider ist die Komposition verloren gegangen.
Kapellmeister und Animator
Am 1. April 1805 übernahm Joseph Ignaz Schnabel die Funktion des Kapellmeisters des Breslauer Doms und begann damit eine 26-jährige Amtszeit, die für die Musikkultur der Diözese und der Stadt äußerst wichtig war.
Zu dieser Zeit wurde der Komponist praktisch zur zentralen Figur des Breslauer Musiklebens. In den Jahren 1806–1810 war er an der Tätigkeit von drei Konzertgesellschaften dieser Stadt beteiligt. Er leitete die sogenannte Abonnementkonzerte donnerstags (seit 1806) sowie montags und freitags (seit 1810). Er sorgte dafür, dass im Rahmen der Begegnungen mit Musik auch Werke Wiener Klassiker zur Aufführung kamen, darunter L. v. Beethoven (damals immerhin ein zeitgenössischer Komponist!). Unter der Leitung von Schnabel fanden die ersten Breslauer Aufführungen von Beethovens Sinfonien statt. Der Meister aus Wien war sich dessen bewusst und schickte Schnabel 1825 durch Carl Gottlieb Freudenberg seine herzlichen Grüße.
Die größten Virtuosen dieser Zeit, die durch Breslau reisten, reichten Schnabel ihre Orchesterkompositionen zur gemeinsamen Aufführung ein. Darunter war z.B. Louis Spohr – deutscher Komponist der Frühromantik und einer der herausragendsten Geiger seiner Zeit. Der Virtuose war von der Zusammenarbeit mit Schnabel so begeistert, dass er ihm sein 1815 gemeinsam uraufgeführtes Offertorium "Jubilate Deo" widmete.
1812 reiste er auf Einladung des preußischen Kultusministeriums mit Friedrich Wilhelm Berner nach Berlin, um an den Proben und Konzerten von Carl Friedrich Zelter, einem Berliner Komponisten, Dirigenten und Lehrer, teilzunehmen. Dort hatten beide Musiker Gelegenheit, sich mit der didaktischen Methode des Künstlers vertraut zu machen und einen Blick in die Aktivitäten der Singakademie zu werfen. Während des betreffenden Aufenthalts dirigierte Schnabel ein Konzert mit Orchester und dirigierte eine Aufführung seiner eigenen Messe.
Im November 1830 trat in einem der Montagskonzerte Fryderyk Chopin auf, der auf Schnabels Wunsch (und unter seiner Leitung) den 2. und 3. Satz aus seinem Klavierkonzert Nr. 1 in e-Moll aufführte. In einem Brief an seine Familie vom 9. November desselben Jahres beschrieb Chopin das Ereignis wie folgt:
Wir waren im örtlichen Kurort, wo mich der Kapellmeister Schnabel bat, bei der Probe für das Konzert, das am Abend stattfinden sollte, dabei zu sein. Dreimal pro Woche gibt es hier solche Konzerte. Ich fand dort, ein Orchester wie üblich in kleiner Zahl, ein Klavier und einen Laien Referenten namens Hellwig vor, der sich darauf vorbereitete, das erste Konzert in Es-Dur von Moscheles zu spielen. Bevor er sich ans Instrument setzte, bat mich Schnabel, der seit vier Jahren nichts mehr von mir gehört hatte, das Klavier auszuprobieren. Es war schwer abzulehnen, also setzte ich mich hin und spielte ein paar Variationen. Schnabel war überglücklich, Herr Hellwig war verärgert, andere begannen, mich zu bitten, mich am Abend Gehör zu verschaffen. Vor allem Schnabel bestand so aufrichtig, dass ich es nicht wagte, den alten Mann abzulehnen. Er ist des Herrn Elsners großer Freund; aber ich sagte ihm, dass ich es nur für ihn tun würde, weil ich erstens seit zwei Wochen nicht gespielt hatte noch daran interessiert war, in Breslau mich anzugeben. Der Alte, antwortete, dass er das alles weiß und dass er mich gestern schon fragen wollte, als er mich in der Kirche sah, sich aber nicht traute.
(Hier das wunderschöne Largetto aus dem 1.Klavierkonzert von Fryderyk Chopin.)
Erzieher
Schnabel leitete auch Kurse und organisierte den Musikunterricht. Ab 1803 unterrichtete er am Katholischen Lehrerseminar. Zusammen mit Friedrich Wilhelm Berner organisierte und leitete er ab 1815 das Königliche Akademische Institut für Kirchenmusik an der heutigen Universität Breslau. Somit war er Musikdirektor dieser Universität. Die Vorbereitungen für den Betrieb der Anlage begannen drei Jahre zuvor. Dank der Unterstützung von Carl Friedrich Zelter, einer äußerst wichtigen Persönlichkeit im Leben des Königreichs Preußen, entwickelte Schnabel einen modernen Lehrplan. Ihr Hauptziel bestand darin, den Schwerpunkt auf die Ausbildung von Kirchenmusikern und die Entwicklung des Chorgesangs zu legen. Hier wurden Organisten, Kantoren und Dirigenten aus ganz Schlesien und später auch aus Großpolen ausgebildet.
So wie die gesamte Universität bikonfessionell geprägt war (was im europäischen Maßstab einzigartig war), hatte die Ausbildung am Institut für Kirchenmusik ein doppeltes Profil. Berner kümmerte sich um den Unterricht im Geiste der lutherischen Musik, Schnabel um den katholischen. Es ist ein beispielloser und beispielhafter Fall von Toleranz und gegenseitigem Respekt gegenüber religiösen und kulturellen Unterschieden. Darüber hinaus wurde die berufliche Zusammenarbeit zwischen Schnabel und Berner zum Beginn einer langen und engen Freundschaft.
Sechzehn Jahre Lehrtätigkeit von Joseph Ignaz an der Universität Breslau gaben viele wunderbare Studenten heraus, darunter hervorragenden Künstler. Unter anderem aus diesem Grund galt Schnabel über Generationen hinweg als Begründer der Breslauer Kompositionsschule.
In Anerkennung seiner pädagogischen Verdienste und der hohen handwerklichen Kunst der musikalischen Darbietung ehrte der Rat der Philosophischen Fakultät der Universität Breslau Schnabel mit dem Ehrentitel Doctor honoris causa. Es fand am 27. Februar 1823 statt.
Der Komponist
Schnabels Verdienste um die Musikkultur Schlesiens kommen vor allem in seinen religiösen Werken zum Ausdruck. In seinen Kompositionen orientiert er sich an den Vorbildern der Wiener Klassiker (insbesondere J. Haydn und L. v. Beethoven), mit deutlichen Einflüssen der Harmonik von Louis Spohr. Damit bleibt es an der Grenze zwischen dem reifen klassischen und dem frühromantischen Stil.
Diese Werke zeichnen sich nicht durch übermäßige Virtuosität, Prunkfragmente oder besondere Dynamik aus. Ihre Schönheit liegt vielmehr in der bezaubernden Einfachheit, den moderaten künstlerischen Mitteln und der gekonnt gestalteten Form.
Er ist der Schöpfer von 17 Messen sowie vielen variablen Teilen der Messe (sog. Proprium missae). Er schrieb außerdem: 2 Requiem, 8 Vespern, 5 Te Deum, zahlreiche Hymnen, Marienantiphonen, Litaneien und Stücke für Fronleichnam und die Karwoche. Andererseits sind seine wenigen Kompositionen aus dem Kreis der weltlichen Musik bekannt. Darunter Märsche für Blaskapellen, das Klarinettenkonzert (vermutlich für seinen Klarinettistenbruder Michael komponiert) und das Quintett für Gitarre, zwei Violinen, Bratsche und Cello. Insgesamt hinterließ er ein reiches Erbe von über dreihundert Kompositionen.
Etwa ein Drittel von Schnabels Werken wurde im Druck angekündigt, was für die damalige Zeit ein hohes Prestige darstellte. Zu den Verlegern seiner Werke zählen renommierte Verlage wie Breitkopf und Leuckart.
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Leider war das Familienleben von Joseph Ignaz Schnabel nicht glücklich. Er war zweimal verwitwet und verbrachte sein Lebensabend an der Seite seiner dritten Frau. Aus all seinen Ehen hatte er insgesamt 25 Kinder, von denen ganze 21 (!) ihren eigenen Vater nicht überlebten. Nur drei Söhne und eine Tochter erreichten das Erwachsenenalter. Joseph der Jüngere wurde Kantor in der Kirche in Glogau, August trat die Nachfolge seines Vaters im Lehrerseminar an, Hedwig ließ sich nach ihrer Heirat in Kowary (Schmiedeberg) nieder. Über das Schicksal vom jüngsten Sohn Leo liegen keine gesicherten Informationen vor.
Joseph Ignaz Schnabel starb am 16. Juni 1831 in Breslau im Haus in der Domstrasse (ul. Katedralna) 8. Sein Abschied erfolgte mit einer großen und feierlichen Zeremonie. Schnabels Andenken wurde in Breslau mit Aufführungen von Trauermessen in allen großen Kirchen gewürdigt. Seine Schüler und Studenten huldigten dem Pädagogen. Eine bewegende Trauerrede in St. Michael wurde von Carl Ditters von Dittersdorf der Jüngere, der jüngste Sohn eines anderen berühmten schlesischen Komponisten gehalten.
Georg Münzer, Musikwissenschaftler und Forscher der Musikkultur Schlesiens an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, schrieb Jahre später, Schnabel sei zu seiner Zeit ein Star am musikalischen Firmament Breslaus gewesen. Diese Aussage spiegelt wahrscheinlich am besten die Größe dieses unglaublich talentierten, vielseitigen und fleißigen Mannes wider.
Bibliographie
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http://pl.chopin.nifc.pl/chopin/letters/detail/person_in/186/page/3/id/680 dostęp: 21.06.2018.
Rudolf Walter, [hasło:] Schnabel Joseph Ignaz [w:] Schlesisches Musiklexikon, red. Lothar Hoffmann-Erbrecht, Augsburg 2001, s. 667-668.
Maria Zduniak, Muzyka i muzycy w dziewiętnastowiecznym Wrocławiu, Wrocław 1984.
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