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AutorenbildEleni Ioannidou

Eichendorff im Oratorium Marianum

Aktualisiert: 25. Sept. 2023

In der Breslauer Universität werden am 18. Oktober um 19:30 Lieder auf Lyrik Joseph von Eichendorffs erklingen. Warum das der beste Ort dafür ist.


Im Jahr 2014 wurde an einem der schönsten Orte im Botanischen Garten in Breslau ein Denkmal für Joseph von Eichendorff aufgestellt, eine exakte Kopie dessen, was zwischen 1911 und 1945 im Park Szczytnicki (damals Scheitniger Park) stand. Es begann eine Zeit der Wiederentdeckung des reichen Kulturerbes der schlesischen Hauptstadt, ein Erbe, das nicht nur Polen und Deutschland, sondern auch Böhmen und Österreich verbindet. Diese Region war nicht nur nach dem Krieg Heimat für bedeutende Künstler wie Tadeusz Różewicz, Olga Tokarczuk, Wojciech Kilar oder Henryk Górecki, sondern schon seit der Renaissance die Heimat von Dichtern wie Martin Opitz, Andreas Gryphius, Angelus Silesius, Joseph von Eichendorff oder Gerhart Hauptmann, um nur einige Namen zu nennen.


Die Universität Breslau | Leopold I im Kostüm von Acis (&Galatea) | Europa um 1700


Die Universität Breslau ist eng mit diesem Erbe verbunden. Sie wurde 1702 als Academia Leopoldina, eine Jesuitenschule, vom habsburgischen Kaiser Leopold I. gestiftet. Teil dieser Jesuitenschule war das St.-Matthias-Gymnasium, ein klassisches (humanistisches) katholisches Gymnasium für Knaben im Alter zwischen 10 -18 Jahren, wo mehrheitlich deutsche- aber auch polnischsprachige Schüler unterrichtet wurden. Heute beherbergt dieses Gebäude das Ossolineum. Aus dem mehrheitlich katholischen Oberschlesien stammend, studierten auch die zwei Brüder Wilhelm und Joseph von Eichendorff, zwischen 1801-1805, an diesem Gymnasium.

Die Bedürftigsten der Schüler wohnten im St.-Josephs-Konvikt, dem Gebäude zwischen der Universität und dem Ossolineum, das um 2021 wunderschön renoviert, heute das Museum der Anthropologie (Muzeum Człowieka) ist.


Joseph von Eichendorff mit 21 | Das ehemalige St.Josephs-Konvikt | Das ehemalige St.Matthias Gymnasium


In seinem ungeheizten Zimmer des Josephskonvikts las Joseph leidenschaftlich Klassiker wie Sueton, Horaz oder Homer: dort erwachte sein dichterischer Geist. Die ersten Gedichte Eichendorffs entstanden in Breslau: “Am frühen Grabe unseres Bruders Gustav”, schrieben die beiden Brüder nach dem Tod ihres kleinen Bruders, das 1803 in den “Schlesischen Provinzialblättern” erschien.


Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff wurde am 10. März 1788 auf Schloss Lubowitz (heute Łubowice) bei Ratibor (heute Racibórz) geboren. Er war Sohn des preußischen Offiziers Adolf Theodor Rudolf Freiherr von Eichendorff und dessen Frau Karoline geb. Freiin von Kloch, die aus einer schlesischen Adelsfamilie stammte, aus deren Besitz sie Schloss Lubowitz erbte. Das katholische Adelsgeschlecht der Eichendorff ist seit dem 17. Jahrhundert in Schlesien ansässig. Seit dem Jahr 2000 gibt es in der Nähe der Schlossruine in Łubowice, das Oberschlesische Eichendorff Kultur- und Begegnungszentrum, das seine Tradition pflegt. Joseph verbrachte in diesem Schloss die glücklichsten Jahre seiner Kindheit und Jugend. Auf dem Land in Oberschlesien lebte damals eine polnische Mehrheit. Viele Bauern auf dem Gut der Familie waren Polen und Joseph beherrschte beide Sprachen. Der Verlust des Schlosses später, aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten der Familie, prägten die Seele des Dichters zeitlebens.


Schloss Lubowitz damals und heute | Die Sprachen in Nieder und Oberschlesien um 1905


Nach 1805 studierte Joseph in Jena und Heidelberg weiter, reiste nach Paris und Wien, nahm um 1813 an den Napoleonischen Kriegen teil und kehrte um 1815 nach Breslau zurück.

In diesem Jahr wurde auch die Breslauer Universität zum Schauplatz der Studentenbewegungen des Vormärzes (1815-1848). Diesen Studenten, die das Lied „ Die Gedanken sind frei“ sangen, lag auch die polnische Befreiung am Herzen. „Polen“ hieß die erste Schrift des schlesischen Schriftstellers Heinrich Laube (Sprottau 1806 - Wien 1884), einem der bedeutendsten Kämpfer des Vormärzes und auch Mitglied Breslauer Studentengruppen. Er war es auch, der das Genie des jungen Wagners in Leipzig entdeckte und dem er das Libretto für eine Oper mit dem Titel „Kosciuszko“ schenkte!


Das Oratorium Marianum, 1733 als Kirche der Marienkongregation gegründet, wurde im Jahr 1815 zum Musiksaal der Universität. Studenten und Musiker verbanden hier romantische Ideale mit Musik. Komponisten wie Franz Liszt, Clara Wieck-Schumann, Nicoló Paganini und später Henryk Wieniawski, Anton Rubinstein oder Johannes Brahms traten hier auf.

Im selben Jahr, 1815, heiratete Joseph von Eichendorff seine Verlobte Luise in der St.-Vincent-Kirche (heute Katedra Greckokatolicka pw. Świętych Wincentego i Jakuba) in Breslau und lebte mit ihr dort bis 1821 zusammen. Joseph, der mit dem Schreiben von Gedichten nicht genug Geld verdienen konnte, erhielt eine Anstellung in Berlin bei der höheren Kriegskommission und wurde 1819 nach bestandenem Staatsexamen Beamter im Kultusministerium. Seine Aufgabe konzentrierte sich auf die Angelegenheiten der katholischen Bevölkerung Preußens.

1821 verließ er Breslau für immer und arbeitete bis zu seinem Lebensende in Danzig, Königsberg und Berlin. Neben seiner Tätigkeit als Beamter war er weiterhin schriftstellerisch tätig. Seine Novellen, wie „Aus dem Leben eines Taugenichts“, seine Romane, Theaterstücke aber vor allem seine Gedichte, begeisterten schon zu seinen Lebzeiten viele Menschen in ganz Europa. Seine letzten Jahre verbrachte er als Gast des Breslauer Fürstbischofs Heinrich Förster auf dessen Sommerresidenz Schloss Johannesberg bei Jauernig und starb am 26. November 1857 im Alter von 69 Jahren an einer Lungenentzündung in Neiße (heute Nysa). Dort ruht er neben seiner Frau unter schlichten Steinplatten aus schlesischem Marmor auf dem Neiße-Friedhof.



Es gibt vielleicht keinen Ort für einen musikalischen Abend rund um Joseph von Eichendorff, der besser geeignet wäre als das Oratorium Marianum in Breslau. Seine Lyrik, geprägt von der Sehnsucht nach der schlesischen Heimat, der Liebe zur Natur, seinem tiefen christlichen Glauben, sowie volkstümlichen Legenden oder Geschichten über wandernde Studenten und Musikanten, inspirierten wie kein anderer Dichter der Romantik viele Komponisten. Tatsächlich, nach Goethe wurden die Gedichte Joseph von Eichendorffs am häufigsten vertont.


1839 wählten Clara und Robert Schumann (Zwickau 1810 - Bonn 1856) zwölf Gedichte von Eichendorff aus, die Schumann in seinem produktivsten Jahr, dem „Liederjahr“ 1840, für den Liederkreis Op.39 vertonte. Aus diesem Liederzyklus geht die berühmte „Mondnacht“ hervor. Auch Hugo Wolf (Windischgrätz 1860 - Wien 1903) vertonte 1889 in Wien Lyrik von Eichendorff, wo auch Studentenlieder vertreten sind. Besonders bekannt daraus sind „Nachtzauber“, „Verschwiegene Liebe“ oder „Der Musikant“. Weniger bekannt sind Eichendorff-Vertonungen von Hans Pfitzner (Moskau 1869 - Salzburg 1949). Trotz der umstrittenen Haltung des Komponisten während der Zeit des Nationalsozialismus, gelten seine Eichendorff-Vertonungen für viele Lied-Interpreten als einige der Schönsten.

Zu diesem Programm wird auch ein Lied von Bolko von Hochberg (Schloss Fürstenstein 1843 -Bad Salzbrunn 1929) hinzugefügt. Der Intendant des Königlichen Schauspielhauses in Berlin und Gründer der Schlesischen Musikfeste in Görlitz war selbst Komponist und schrieb viele Lieder.

Das war der Grund, warum Ars Augusta e.V. in seinem Namen einen internationalen Liedwettbewerb im Jahr 2022 in Görlitz aus der Taufe gehoben hat. Viele junge Künstler aus Polen, Deutschland und anderen Ländern der Welt wurden dort Preisträger oder Finalisten und gaben bereits viele Liederabende in der Region. Einer dieser Liederabende findet jetzt im Oratorium Marianum mit dem Bariton Vincent Kusters und dem Pianisten Charlie Bo Meijering aus den Niederlanden statt.


Das Programm trägt den Titel „Nachtzauber“, das schöne Lied von Hugo Wolf, das das Programm abschließt. Die restlichen Lieder sind eine repräsentative Anthologie der schönsten Gedichte Eichendorffs.

An diesem besonderen Ort, dem Oratorium Marianum, wird ein internationales Publikum, Alt und Jung, das schöne schlesische Erbe gemeinsam feiern können.

Der Eintritt zum Konzert ist frei. Spenden für den Publikumspreis „Silesia“ der kommenden Ausgabe des Internationalen Liedwettbewerbs „Bolko von Hochberg“ (26-29 Mai 2024 in Görlitz) sind hochwillkommen. Das Projekt wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien über das Kulturreferat für Schlesien am Schlesischen Museum zu Görlitz. Die Idee für das Konzert entwickelte die Vorsitzende des Ars Augusta e.V., Breslauerin und polnisch-griechische Sängerin, Eleni Ioannidou.




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