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AutorenbildEleni Ioannidou

Die Wanderer | 2. Die Abtei

Aktualisiert: 16. Mai 2023

Gedanken zum Jahr der Romantik 2024, dem 200. Todesjahr von Lord Byron in Messolonghi und 250. Geburtsjahr von Caspar David Friedrich in Greifswald.

2. Die Abtei | The Abbey

Ein Wanderer erholt sich am Meilenstein in Form eines Obelisken. Dies war eine der ersten Zeichnungen von C.D. Friedrich, der meine ersten Gedanken über die romantische Welt inspirierte, Gedanken die ich im vorherigen Beitrag zum Thema "Die Wanderer" vorgestellt habe. Ich habe damals verstanden, dass das erste Werk eines Künstler der "Meilenstein" seines Wesens ist. So auch Lord Byron mit 19 Jahren schrieb im selben Jahr (1802) ein Gedicht, mit dem seine persönliche poetische Reise in dieser Welt begann. Es ist das "Leaving Newstead Abbey" die Eröffnung seiner ersten Gedichtsammlung, "Hours of Idleness". Bevor wir das Gedicht lesen, erinnern wir uns was war Newstead Abbey? Das Anwesen seiner Vorfahren väterlicherseits. Ein ehemaliges Kloster: die Hälfte dieses Anwesens war die Ruine einer gotischen Abtei, der Rest ein bewohnbares Herrenhaus, Zellen der Mönche bevor das Anwesen im Besitz der Familie der Byrons kam. Als George Gordon Byron aus Schottland, die Heimat seiner Mutter nach Newstead kommt, befindet sich das Haus in keinem gutem Zustand. Byron sieht das zerfallene Anwesen bevor er seine Wanderung in die weite Welt beginnt, und sagt:


On Leaving Newstead Abbey

Why dost thou build the hall, Son of the winged days? Those loosest from thy tower to-day, yet a few years, and the blast of the desert comes, it howls in thy empty court.

OSSIAN


Thro´ thy battlements, Newstead, the hollow winds whistle;

Thou, the hall of my fathers, art gone to decay;

In thy once smiling garden, the hemlock and thistle

Have choak´ d up the rose, which late bloom´d in the way.


Of the mail-cover´d Barons, who proudly to battle,

Led their vassals from Europe to Palestine´s plain,

The escutcheon and shield, which with ev´y blast rattle,

Are the only sad vestiges now that remain.


No more doth old Robert, with harp-stringing numbers,

Raise a flame in the breast, for the war-laurell´d wreath:

Near Askalon´s towers, John of Hornisten slumbers,

Unverv´d is the hand of his minstrel, by death.


Paul and Hubert too sleep, in the valley of Cressy,

For the safety of Edward and England they fell;

My fathers! The tears of your country redress you;

How you fought! How you died! Still her annals can tell.


On Marston, with Rupert, ´gainst traitors contending,

Four brothers enrich´d, with their blood, the bleak

For the rights of a monarch, their country defending,

Till death there attachment to royalty sealed.


Shades of heroes, farewell! your descendent, departing

From the seat of his ancestors, bids you, adieu!

Abroad, or at home, your remembrance imparting

New courage, heal think upon glory, and you.


Though a tear dim his eye, at this sad separation,

´Tis nature, not fear, that excites his regret;

Far discant he goed, with the same emulation,

The same of his fathers he never can forget.


That fame, and that memory, still will he cherish,

He vows, that he ne´er will disgrace your renown;

Like you will he live, or like you will he perish;

When decay´ d may he mingle his dust with your own.


Byron wollte seine erste Gedichte nicht veröffentlichen, er wollte sie sogar verbrennen. Vielleicht, weil sie sehr wahr und sehr persönlich waren. Wie jedes Erstlingswerk, wie ich im vorherigen Artikel geschrieben habe, auch das hat eine große Bedeutung für den Dichter. Die gesamte Sammlung umfasst Liebesgedichte sowie Übersetzungen oder Nachahmungen griechischer oder römischer Klassiker. Im Jahr 1802 residiert Byron, Sohn und Enkel von Generälen und Rittern väterlicherseits (Byrons) und schottischen Adligen mütterlicherseits (Gordons), nun in diesem zerstörten Anwesen, dessen Herr er jetzt ist. Newstead Abbey wurde im Mittelalter (ca. 1170) von Heinrich II. von England als Kloster gegründet und diente ab dem 16. Jahrhundert als Sitz der Byrons, die Ritter oder Politiker waren. Über Byrons Vorfahren, die in der Abtei lebten, kann man auf Wikipedia nachlesen. Die letzten Generationen dieser Adligen Familie waren zur Zeit der Französischen Revolution verfallen. Diese Information erinnert uns an „Don Juan“, eins der wichtigsten Werke die Byron geschrieben. Fühlte sich der Dichter als der Nachfahre einer Familie von strengen Rittern, dessen "Ketten" er sprengen wollte? In ihm scheint dennoch dieser Freiheitsdrang mit dem Drang ihnen zu ähneln, ringen. Einerseits war er ein Ritter, half er Menschen, leidende Völker, andererseits bekannt sind seine Affären mit verheiratete Frauen oder Knaben und Mädchen.


In dem Gedicht „On leaving Newstead Abbey“ spürt man den jungen Mann, der, wie viele andere Künstler seiner Generation, seinen Anteil an diesem Plan sucht, das heisst sein Platz im historischen Geschehen: das Erbe das von Generation zu Generation in einer mystischen Weise weitergegeben wird. Eins seiner letzten Stücke ist das Drama "Werner oder das Erbe" und es geht darin tatsächlich um das "Erbe" das von Väter an die Söhne gegeben wird. Das Erbe nicht nur in Form eines zerfallenen Schlosses in Böhmen, in der katastrophalen Zeit für Europa des 30jährigen Krieges. Es geht auch um das "menschliche" Erbe. Was passiert wenn ein Sohn des Erbes eines Ritters, mit allem was das bedeutet (Tugend, Stärke etc) es nicht "würdig" ist, weil er... "byronisch" ist?

Byron betrachtet die Ruinen des christlichen mittelalterlichen Klosters, in dem alles begann, und spricht mit den Geistern seiner Vorfahren, die als Ritter Europa in Palästina verteidigten oder ihren Monarchen treu blieben, das Heimatland beschützten, von Minne sangen und so weiter.

Bestimmt empfindet eine Melancholie, weil wie diese wunderschöne Denkmal eine Ruine ist, so sehen auch die Gemüte der Menschen um ihn sein. Ohne Werte, ohne Wahrheit und Idealismus: er gehört auch dazu. Aber er möchte das nicht mehr sein. Er will ein Held - wie sie- werden. Er versichert sie, dass er - in die weite Welt hinausgehend - sie nicht im Stich lassen wird. Aus ihrer Erinnerung wird er in seinen schwierigen Momenten Mut schöpfen und ihr Erbe weitertragen! Wie prophetisch, wenn wir bedenken dass Byron nah am Lepanto, in der Verteidigung Griechenlands gegen die Osmanen sterben wird.


Betrachtet man Byrons Schicksal, wird mehr als deutlich, dass dieses Gedicht ein Meilenstein in Byrons Werk war. Wir sehen hier, wie er sich mit dem ERBE seiner Vorfahren befasst, die dieses Anwesen bewohnten, und es ist nicht zufällig, dass es sich bei dem Denkmal um eine Abtei handelt. Ausgangspunkt der Reise sind die Ruinen eines gotischen Augustinerklosters.


Doch bevor wir die nächsten Gedichte lesen, möchte ich noch einmal auf Caspar David Friedrich zurückkommen. Er ist im Gegensatz zu Byron kein Adliger, doch in der Nähe von Greifswald, nahe am Meer, liegen die Ruinen eines Klosters, das ihn sehr fasziniert hat und das in seiner Malerei eine besondere Rolle spielte. Diese Ruine steht wie die andere in Oybin (ebenfalls eine Ritterburg) im Mittelpunkt vieler Gemälde. Warum malt er so oft gotische Kloster- oder Kirchenruinen?


Das Zentrum einer wunderschönen Landschaft wird von einem beeindruckenden Denkmal dominiert, das an alte Zeiten erinnert, die Zeit der großen Meister des Mittelalters, die starke Gebäude errichteten, und der Ritter, die ihr Leben für ein Ideal riskierten.


Mit dem Gedanken kehren Romantiker gerne in die alten Zeiten zurück, aber warum? Weil ihnen diese Ideale in ihrer Gegenwart fehlen? Tatsächlich sprechen die Tempel der alten Zeiten von Werten, die sehr wichtig sind. Diese Ruinen wirken wie Stimmen aus der Vergangenheit, eine Ermahnung oder Führung. Sie wurden von Baumeistern für religiöse Menschen, für Mönche und Nonnen, gebaut. Sie verbinden Menschen mit einem höheren Wesen, Gott.

Im Albertinum in Dresden findet man eine große Sammlung von Bildern aus der Dresdner Romantik. Bilder nicht nur von Caspar David Friedrich, sondern auch von Carl Gustav Carus und anderen weniger bekannten Malern. Eines, das mich beeindruckt hat, zeigt einen jungen Mann, der in den Ruinen einer gotischen Kirche schläft. Als ob er in seinem Traum nach Inspiration für sein Leben suchte. Die Stimmen der Vorfahren könnten zu ihm über Gott und die großen Ideale des Christentums sprechen: Freiheit, Humanismus, Solidarität, Genügsamkeit, Liebe, Glaube. Ritter hatten im Mittelalter diese christliche Tugend. Verstanden sich die Romantiker ein wenig als die neuen Ritter des Christentums? Der Tetschen-Altar von Caspar David Friedrich und die „Childe Harolds Pilgrimage“ scheinen diese These zu bestätigen.


Im nächsten Beitrag werde ich versuchen, Byrons "Wahlfahrt des Knappen Harold" zu untersuchen. Aber ich werde diesen aktuellen Beitrag mit einem Kommentar schließen. Die Landschaft um Messolonghi erinnert stark an die Meereslandschaft von Greifswald. Und so wie man dort die Ruinen des Eldena-Klosters sehen kann, finden wir auch in Messolonghi die Ruinen einer antiken Stätte: Pleurona. Der Blick auf die Lagune vom antiken Theater erinnert an Eldona. Das Theater war auch wie das Altar eines antiken Kultes, des Dionysos wo über das Drama die Zuschauer sich von deren Sünden reinigen durften.


Das innere Ringen zwischen den Wüstling und dem Mönch, das man in mehreren Romantikern wieder erkennt, auch in Franz Liszt. Auch in seinem Leben erscheint in seinem Leben eine Wende zur Religiosität und Konservativismus. Er lässt die Affären zurück, konzentriert sich in Jesus, er wird zum Pfarrer.




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