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AutorenbildEleni Ioannidou

Die Zeitenwende 1762, in Dresden und in Warschau

Aktualisiert: 10. Dez. 2022

Die Wiederentdeckung der Oper "Il re pastore" (von J.Ch. Richter und J.A, Hasse) aus dem Dresdner Musikerbe (1762) | Ergebnisse des Forschungsprojektes "Sachsens Opernschätze entdecken!"

Gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Rahmen von NEUSTART KULTUR

Bernardo Bellotto (Canaletto): Blick auf Warschau von Praga (1770)

Zusammenfassung

Die Sächsische Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) besitzt eine große Musiksammlung aus der Zeit Augusts des Starken und vor allem seines Sohnes August III., König von Polen, der als großer Förderer der Künste, insbesondere des Musiktheaters, bekannt war. Diese reiche Sammlung von Opern bedeutender Komponisten wie J.A.Hasse, Zelenka, Porpora, Schmidt u.a. ist bis heute nicht genug erforscht. Ihre Wiederentdeckung sollte eine Zeit beleuchten, als Dresden eine bedeutende Kulturmetropole zwischen Süd- und Nordeuropa, zwischen evangelischer und katholischer Welt war. Die Forschungsarbeit „Sächsische Opernschätze entdecken“ ist ein kleiner Schritt in diese Richtung. Gegenstand der Arbeit sind zwei im selben Jahr (1762) entstandene Opern zu einem schönen Metastasio-Libretto „Il re pastore“. Die eine stammt aus der Feder des bis heute unbekannten Dresdner Komponisten Johann Christoph Richter und wurde vermutlich am Morettischen Theater in deutscher Sprache aufgeführt, die andere ist die zweite Fassung der Oper „Il re pastore“, die Johann Adolf HASSE 1755 für Hubertusburg und im 1762 für Warschau geschrieben hat. Versucht wird das kulturelle Klima in Dresden um 1760 zu verstehen sowie die beiden Partituren zu vergleichen. Abschließend befasst sich diese Arbeit mit den Perspektiven einer Renaissance der Musik aus dieser Zeit und warum das heute wichtig wäre.


Bernardo Bellotto (Canaletto): "Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke" (1748)

Die Oper in Dresden der zwei Polenkönige

Mit der Gründung der Dresdner Hofkapelle im Jahr 1458 durch Moritz von Sachsen unter dem ersten Kapellmesiter Johannes Walter begann sich Dresden zu einem bedeutenden Musikzentrum zu entwickeln. Einflüsse aus der italienischen Renaissance sollten bald mit Heinrich Schütz kommen und so schlug auch die Geburtsstunde der deutschen Oper, als er für eine Hochzeit des Kurfürstenpaares in deren Residenz in Torgau „Dafne“ nach einem Libretto des schlesischen Dichters Martin Opitz komponierte, eine Übersetzung des Lirbetto von Rinuncini (für Peris „Dafne“).

1667 wurde in Dresden das „Klengelsche Opernhaus“ mit der Oper „Teseo“ von Giovanni Andrea Moneglia eröffnet. So begann auch die italienische Oper in Dresden zu klingen.

Gleich danach, unter der Herrschaft Augusts dem Starken und seines Sohnes entwickelte sich Dresden zu einer bedeutenden Kulturmetropole Europas. Die Regierungszeiten von Friedrich August I. als Kurfürst von Sachsen waren zwischen 1695-1733 (während unter dem Titel August II., König von Polen und Großherzog von Litauen zwischen herrschte er 1697-1706 und 1709-1733) und Friedrich August II. von 1733-1763 (als August III. von Polen zwischen 1733-1763).

Die beiden Kurfürsten luden, neben Maler, Wissenschaftler und Architekten, bedeutende Komponisten, Sänger und Musiker nach Dresden ein, an ihrem Hof (und später in Warschau) wurden Opern, Ballette und andere Musik geschrieben. 1719 wurde im Rahmen der „Planetenfeste“ ein neues Opernhaus am Zwinger mit der Oper „Giove in Argo“ von Antonio Lotti eröffnet und ein Ensemble mit bekannten italienischen Virtuosen wie Senesino und Santa Stella dafür engagiert. August der Starke war ein bekannter Sammler und Mäzen, aber sein Sohn August III. war ein großer Bewunderer und Kenner der italienischen Oper. 1731 wurden Johann Adolf Hasse und seine Frau, die berühmte Sängerin Faustina Bordoni, nach Dresden eingeladen, um den Titel des Königlichen Kapellmeisters zu übernehmen. Die Vorstellung der Oper „Cleofide“ nach einem Libretto von Pietro Metastasio, war die Erste einer langen Reihe von Opern, die der Komponist in Dresden aufführte. Viele dieser Opern wurden in Hubertusburg, in Dresden oder in der zweiten Residenz des Königs in Warschau uraufgeführt. Als der König 1763 starb, kehrte der Komponist nach Wien und schließlich nach Venedig zurück, wo er 1783 starb. Bis dahin waren im Hof der katholischen Könige ​​vor allem italienische Opern zu hören.


Aber gerade in Europa der Aufklärung gab es einen Wendepunkt, auch in der Musik. Die Opernreform von Ch.W. Gluck brachte viele Veränderungen für die Kunst der Oper. Eine davon ist die Förderung der Werke in den Muttersprachen der europäischen Völker und der Übergang der Barockmusik zur Klassik.

„Schluss mit den kalten Schönheiten der Konvention, an denen die Tonsetzer festzuhalten sich verpflichtet fühlten. Die wahre Aufgabe der Musik ist, der Dichtung zu dienen, ohne ihre Aktionen zu unterbrechen oder zu hemmen!“ (Christoph W. Gluck)

Am 5. Oktober 1762 wurde im Wiener Hoftheater Glucks „Orfeo ed Euridice“ aufgeführt und damit eine neue Ära in der Operngeschichte eingeläutet. Gluck wollte eine Rückbesinnung auf das Element „Theater“ in der Oper, also die Textinterpretation. Das Recitativo secco (mit Begleitung des Basso continuo) ersetzte das Recitativo accompagnato durch das Orchester, und die Arien änderten ihren Stil und verzichteten auf die vielen Koloraturen. Die Stimme des Sängers wurde eher als Instrument für die Rezitation des Schauspielers denn als Musikinstrument angesehen. In dieser Zeit ging die Ära von Komponisten wie Hasse zu Ende und die Ära von Komponisten wie Mozart begann. Die Verständlichkeit der Texte für das breites Publikum wurde zu einem erstrebenswerten Element.


In dieser Zeit reisten viele Operntruppen und Impresarios durch Europa und präsentierten Theaterstücke und Komödien. Es ist wohl möglich, dass diese Truppen viel dazu beigetragen haben, die Ideen der Aufklärung durch Europa zu verbreiten. Auch in Dresden erhielt der Sänger und Impresario Agnelo Mingotti 1746 die Erlaubnis, in der Nähe des Zwingers ein hölzernes Theater (Das „Mingottische Theater“ am Zwinger) zu errichten, um Opern im „volkstümlichen Stil“ zu spielen. Die dort von verschiedenen Ensembles aufgeführte Oper stand einem zahlenden Publikum offen. Das war etwas Neues, da bis dahin wurden die Opern nur für den Hof gespielt. Das Mingottische Theater brannte 1748 nieder, aber seine Idee überlebte.

1754 erhielt auch der italienische Schauspieler und Impresario Pietro Moretti von August III. die Erlaubnis, im „italienischen Dörfchen“ (am heutigen Standort der Semperoper) ein Komödienhaus zu errichten, in dem er „deutsche Komödien“ bespielen durfte. 1780 wurde dieses Theater (genannt „Morettisches Opernhaus“) in „Kleines Hoftheater“ umbenannt. Das „Königliche Hoftheater“ (das 1719 mit „Giove in Argo“ eröffnet wurde) wurde nur ein Jahr später im Zuge des Siebenjährigen Krieges und der Zerstörung Dresdens durch preußische Soldaten beschädigt: auch Partituren von Hasse und Schütz wurden dann verbrannt. Jetzt konnten die Theateraufführungen nun im "Morettischen Opernhaus" stattfinden.


Wahrscheinlich wurde in diesem Haus auch die Oper „Il re pastore“ von Johann Christoph Richter gespielt. Einerseits findet sich diese Information nicht im Buch von Moritz Fürstenau („Musik und Theater am Dresdner Hof“), aber da 1762 nur in diesem Haus Opern gespielt werden durften, und die Tatsache, dass „Il re pastore“ auf Deutsch gesungen wurde, gehen wir davon aus, dass dieses Stück in das spätere „Kleine Hoftheater“ gespielt wurde.

In diesem historischen Jahr 1762, als Glucks „Orfeo“ in Wien seine Uraufführung feierte, begann auch in dem vom Krieg zerstörten und verarmten Dresden eine neue Musikepoche. Hans Schnoor beschreibt die Kultur um das "Morettischen Theater", das für das Volk und für deutschsprachige Komödientruppen offen war, so: „Es war, innerlich betrachtet eine Weihestätte, wie es nur ganz wenige in deutschen Landen gegeben hat, denn hier wirkten Weber, Tieck und die Meister des versinkenden Italianismo, die Paer, Morlacchi; hier schuf der Dresdner Theatergenius im Lichte des deutschen Klassizismus und der Frühromantik teuerste Erinnerungen; hier war im tiefen geistigen Grunde die Geburtstätte des Wagnerschen Musikdramas, die erste Pflegestätte eines nationalen Bühnengedankens, eines „Dresdner Stils“ in Oper und Schauspiel.“ Weiterhin erwähnt er die Bedeutung des Morettschen Theaters und den von Stadt zu Stadt reisenden deutschen Komödiantentruppen, für die Entwicklung des Singspiels – auch mit Einflüssen aus der englischsprachigen Raum – und schließlich für das Ebnen des Weges für Webers romantische Oper.


1762, ein Jahr vor dem Tod des sächsischen Polenkönigs August III. ging also auch in Dresden eine Musikepoche zu Ende und eine neue begann. So sind die beiden Opern „Il re pastore“ Beispiele für diese zwei Welten.

Dass diese beiden Tendenzen im „Elbflorenz“ Dresden zu finden sind, spricht viel für den Charakter der Regierungszeit Augusts III. Der Kunstmäzen förderte viele Maler und Komponisten, ließ viele Baudenkmäler sowohl in Polen als auch in Dresden errichten, unterstützte Winkelmann und eröffnete Museen und Ausbildungsstätten, trotzdem hat er auch heute keinen wirklich guten Ruf und wird in beiden Ländern missverstanden. Er gilt als eine schwache, verschwenderische Person. Aber sein Handeln präsentiert ihn als einen aufgeklärten Förderer aller neuen Kulturströmungen, und trotz seiner katholischen Konfession unterstützte er auch die Musik des Protestantismus in Sachsen. Die Erlaubnis, das Komödienhaus für deutsche Komödientruppen zu öffnen, war wichtig für die weitere Entwicklung der Theaterkultur in Sachsen.


Kurze biografische Angaben


Johann Adolf Hasse wurde 1699 im Hamburger Stadtteil Bergedorf geboren. Er starb 1783 in Venedig. Aus einer Organistenfamilie stammend, begann er ein Gesangsstudium in Hamburg und sang zunächst als Tenor an der Oper am Gänsemarkt und in Braunschweig (Oper am Hagenmarkt), wo auch seine erste Oper „Antioco“ (1721) entstand. Anschließend reiste er nach Italien, wo er zwischen 1722-25 in Neapel bei Porpora und Scarlatti Komposition studierte. Seine Opernkompositionen, die er in Neapel und Venedig aufführte, machten ihn so bekannt, dass er in Italien „il divino Sassone“ (der göttliche Sachse) genannt wurde. 1730 heiratete er die berühmte Opernsängerin Faustina Bordoni. Gemeinsam gastierten sie 1731 in Dresden (Cleofide). August der Starke verlieh ihm den Titel des Königlich Polnischen und Kursächsischen Kapellmeisters, 1733 begann sein Dienst unter dem neuen Herrscher August III. in Dresden wo er 30 Jahre blieb. In dieser Zeit bildete er in Dresden und Warschau eines der besten Ensembles der damaligen Zeit, bekannt in ganz Europa. Er reiste weiterhin durch Europa (viel in Italien, Wien, London und Paris) und führte überall seine Opern auf, hauptsächlich nach Libretti von Metastasio, dessen Freund er war. Die Ära Hasse in Dresden endete mit dem verheerenden Siebenjährigen Krieg (1756-1763). Nach dem Tod Augusts III zog das Paar nach Wien um, wo es bis 1773 lebte und wo Hasse noch einige Opern im Auftrag von Maria Theresia schrieb, aber immer weniger. Nach der Gluck-Reform, ein neues Operstil gewann neue Anhänger, er blieb aber seinem Stil treu. Den Rest seines Lebens verbrachte das Paar in Venedig. Fraustina starb 1781 und Hasse am 16. Dezember 1783. Seine Ruhestätte befindet sich in der Kirche San Marcuola in Venedig.

Hasse war einer der bedeutendsten Vertreter der Opera seria seiner Zeit und sein Name ist eng mit Metastasio verbunden. Nicht nur in der Gattung Oper, sondern auch Kantate und Oratorium (insgesamt etwa 40 Werke nach Libretto von Metastasio) hat Hasse hervorragende Werke zurückgelassen . Auch seine geistliche Musik ist großartig. Schließlich schrieb er auch Instrumentalmusik, Sinfonien, Sonaten und Solfeggi. Zu seiner Zeit galt er als einer der bedeutendsten Komponisten in Europa.


Johann Christoph Richter ist fast gleich alt wie Johann Adolf Hasse, aber im Gegensatz zu dem zweiten würde man annehmen, dass sein Leben und Wirken allein in Dresden stattfand, abgesehen von einer Italienreise (1714-1716), wo er von der Hofkapelle zur Ausbildung geschickt wurde. Wir lesen in Moritz Fürstenaus Buch über die Oper am Hof der Augusten: „Johann Christoph Richter war geboren zu Dresden am 15.7.1700 und starb den 19.1.1785. Im August 1727 wurde er als Hoforganist verpflichtet, welches Amt er 57,5 Jahr verwaltetet. Er zog viele gute Schüler, unter denen besonders Christian Gottlieb Dachselt (Organist an der Frauenkirche) zu erwähnen ist, und war zu seiner Zeit berühmt als guter Orgelspieler und Kontrapunktist. Von ihm sind in Dresden 2 Opern vorhanden: Metastasio´s „Il Ré pastore“ in deutscher Übersetzung und eine „Opera dramatica“ („Il Natal di Giove“) zur Feier des Geburtstags der Kurfürstin Maria Antonia 1764 - Seit 1730 dependierte übrigens die protestantische Hofkirchenmusik von der Oberkämmerei, trotzdem das Oberhofmaschallamt als bisherige Behörde, Einspruch dagegen erhoben hatte.“

Richter war auch Schüler von Panteleon Habestreit, dem Erfinder eines Tasteninstruments, das seinen Namen „Pantaleon“ trägt, und spielte und unterrichtete dieses Instrument in Dresden, nachdem sich sein Lehrer aus dem Musikleben zurückgezogen hatte. In Buch von Moritz Fürstenau finden wir schliesslich sein Name neben Johann Sigismund Hauptmann als Prinzipalle (Truppenführer oder Impressarios) im Zusammenhang mit einer deutschen Komödiantenruppe, die 1741 in Dresden an verschiedenen Theatern auftrat.

Pietro Metastasio


Der eigentliche Name des bedeutendsten Dichters und Librettisten des 18. Jahrhunderts war Pietro Antonio Domenico Bonaventura Trapassi. Er wurde am 3. Januar 1698 in Rom geboren und starb 1782, war also auch ein Zeitgenosse der beiden oben genannten Komponisten. Er hat schon als Kind spontan Gedichte vorgetragen. Bei einer solchen Gelegenheit wurde Giovani Vicenzo Gravina, Rechtsanwalt, Schriftsteller und Vorsitzender der „Accademia dell’Arcadia" in Rom, auf ihn aufmerksam und übernahm seine Ausbildung. Er gab ihm auch den Künstlernamen „Metastasio“ (Gräzisierung seines Familiennamens „Trapassi“), brachte ihm Latein und Jura bei und förderte sein literarisches Talent. Seine erste literarische Aufgaben (im Alter von zwölf Jahren) waren die Übersetzung von Homers „Ilias“ und einer Tragödie im Stil von Seneca. In diesen Jahren trug er die Kutte eines Abbé, nachdem er die niederen Weihen erhalten hatte, ohne die es unmöglich war, eine Karriere in Rom voranzutreiben. Im Alter von 20 Jahren starb sein Mentor Gravina und er erbte sein Vermögen. Ab 1721 war er als Jurist in Neapel tätig aber begann bald, seine erste musikdramatische Texte zu schreiben. So spielte die Serenata „Endimione“ bei der Hochzeit der Prinzessin Pinelli di Sangro. 1722 schrieb Metastasio mit Nicola Porpora zum Geburtstag der habsburgischen Kaiserin die Serenata „Gli orti esperidi“ mit Sängern wie Farinelli oder La Romanina. Diese Sopranistin, begeistert von seinem Talent, überredete den Dichter, das Jura aufzugeben und sich der Literatur zu widmen. Im Haus von La Romanina in Rom traf Metastasio die größten Komponisten seiner Zeit (Hasse, Pergolesi, Scarlatti, Vinci, Leo, Durante und Marcello), die später seine Stücke vertonten. La Romanina wurde zu seiner Förderin, sie adoptierte ihn zusammen mit seiner Familie in Rom und unter ihrer Schirmherrschaft (sie sang oft auch die Hauptrollen in den Opern) schrieb er seine ersten großen Libretti. 1729 erhielt Metastasio das Angebot, als Nachfolger von Apostolo Zeno Hofdichter am Wiener Kaiserhof Karls VI. zu werden. Zwischen 1730 und 1740 wurden seine besten Dramen vertont und für das Kaiserliche Hoftheater aufgeführt. Das waren Vertonungen von Antonio Caldara, Vivaldi oder Hasse. Ab 1745, als die Kriege begannen, wurde er weniger kreativ, schrieb er nur noch Texte für Kantaten und Arien (wie "Ecco quel fiero istante" für Farinelli), lebte er zurückgezogen in Wien und starb 1782 nach einer Krankheit. Er vermachte sein Vermögen den Kindern seines Freundes Nicoló Martines, dessen Tochter, die Sängerin und Komponistin Marianna von Martines, er förderte. Sein Leichnam befindet sich noch heute in der Wiener Michaelerkirche. Sein Ruhm wuchs jedoch auch nach seinem Tod weiter und seine Werke wurden in mehrere europäische Sprachen übersetzt und von vielen Komponisten weiter vertont.



„Il re pastore“ Drama per musica

Metastasios Melodram „Il re pastore“ wurde 1752 in Wien von Giuseppe Bono im Schloss Schönbrunn uraufgeführt. Es entstand auf Wunsch Maria Theresias für eine Aufführung im Gartentheater von Schloss Schönbrunn, aufgeführt von Angehörigen des kaiserlichen Hofes (ein Mann – für die Rolle des Alexander – und vier Frauen). Seitdem wurde es von vielen Komponisten vertont, darunter Christoph Willibald Gluck (1756, Wien) und Mozart (Salzburg 1775), der das Libretto 1765 in London, durch die Vertonung von Felice Giardini kennenlernte.

Das Thema der Oper basiert auf der „Geschichte Alexanders des Großen“ (Historiae Alexandri Magni Macedonis) von Curtius Rufus, die wiederum Torquato Tassos Stück „Aminta“ inspirierte. Es handelt von der Geschichte des Hirten Abdalonimus, der von Alexander zum rechtmäßigen Herrscher von Sidon (Stadt im heutigen Jordanien) befördert wird, weil er mit seinem Charakter und seiner Tugend beweist, dass er ein guter Herrscher sein kann. Die Geschichte ist inspirierend und lehrreich, da sie von einem idealen Herrscher handelt, der nur einer sein kann, der sich wie ein guter Hirte um sein Volk kümmert.

Die genaue Handlung führt uns zurück in die Zeit von Alexander dem Großen, der den Tyrannen Strato in seinem letzten Feldzug besiegte und nun auf der Suche nach dem rechtmäßigen König von Sidon ist. König Alessandro entdeckt bald, dass Aminta, scheinbar nur ein bescheidener Hirte, Thronfolger von Sidon ist.

Amintas plötzlicher Machtzuwachs belastet seine Beziehung zur Hirtin Elisa, als Alessandro eine Heirat zwischen dem neuen König und Tamiri, Stratos Tochter, vorschlägt, um einen friedlichen und dauerhaften Machtwechsel zu gewährleisten. Das wollen weder Tamiri noch Aminta, denn jeder von ihnen ist in einen anderen verliebt. Tamiris ist tatsächlich in Agenor, einen sidonischen Adligen und Freund von Alexander verliebt. Nach vielen Dramen setzen sich König Alessandros legendäre Weisheit und Gerechtigkeitssinn durch und Aminta besteigt den Thron von Sidon mit seiner wahren Liebe Elisa an seiner Seite.


Die Oper „Il re pastore“ von Johann Christoph Richter

Johann Christoph Richter schrieb die Oper „Il re pastore“ nach der Übersetzung des Metastasio-Librettos von 1755 (für die Uraufführung von Hasses Oper in Hubertusburg). Der Übersetzer ist unbekannt. Ort oder Anlass der Aufführung der Oper ist ebenfalls unbekannt, es ist aber anzunehmen, dass sie im Morettischen Theater mit einer deutschen Komödientruppe, wie so oft in diesem Theater, vor großem Publikum aufgeführt wurde.

Die Präsentation der Oper in deutscher Sprache sowie einige musikalische Besonderheiten der Partitur erlaubt uns dieses Werk zu den neuen Tendenzen in der Theaterwelt zuzuordnen, die sich nach den Gluck-Reformen in der Musikwelt zu etablieren begannen. Obwohl die Rezitative immer noch von einem Basso continuo begleitet werden, erscheint vor Agenors letzter Arie „Von den gleichen herben Plagen“ ein besonders schönes und dramatisches „Recitativo accompagnato“ (mit Orchester). Die Arien sind einfach, ohne zu viel Koloraturen und Virtuosität. Die Arie von Tamiris aus dem Akt III, „Wenn du mich jemand andern schenkest“ ist auch ohne die traditionelle Orchestereinleitung ziemlich neuartig in ihrer Struktur. Die Musik zeigt Züge des Klassizismus, etwa die Alexander-Arie aus dem 3. Akt („Ihr Götter“) oder eine Dramatik (etwa „Barbar“ von Elisa aus dem 2. Akt), die „Sturm und Drang“ und die Musik von Beethoven erinnert. In jedem Fall ist das ein Versuch, sich vom Rokoko-Stil zu befreien, und man erkennt schon Elemente, die an die Musik von Mozart erinnern.

Die Rollen in dieser Oper sind alle auf dem Sopranschlüssel geschrieben. Es ist also davon auszugehen, dass alle Rollen von Frauenstimmen oder Kastraten gesungen wurden. Der Protagonist, Schäfer Aminta, war Mezzosopran oder Alt, Elisa (seine Liebste) und die Prinzessin Tamiris Soprane, während Agenor und Alexander (Männerrollen) Soprane oder hohe Kastraten waren. Wir haben uns entschlossen die Rolle Alexanders an einen Tenor zu geben.

Beim Lesen des Librettos von Metastasio, sowohl in der Originalsprache als auch in der deutschen und polnischen Übersetzung, fiel uns sofort die Perfektion dieses Textes auf. Nicht nur dramaturgisch haben wir es mit einer unvergleichlichen Harmonie der Szenen zu tun, die es zum Vergnügen macht, der Handlung zu folgen. Der Text enthält höchste philosophische Wahrheiten, zB die Dialoge zwischen Aminta und Alexander über die Frage, wie ein Herrscher sein sollte, oder das Rezitativ Alexanders, in dem er die Berufung, einem Menschen auf seinem Weg der Berufung zu helfen, als höher ansieht als Kriege zu führen und Länder zu erobern.

Es ist also der wichtige erzieherische Charakter dieses Librettos, der Richters Oper (in verständlichem Deutsch) besonders wertvoll macht!

Im Jahr 2022 haben wir auch ein Fragment aus der Partitur der zweiten Oper von Richter („Il Natal di Giove“) transkribiert und aufgeführt. Richter schrieb Metastasios anderes wunderschöne Libretto zum Geburtstag der erst vor einem Jahr verwitweten Prinzessin Maria Antonia Walpurgis. Zu bemerken, das Maria Antonia ebenfalls Librettistin, Sängerin (Schülerin von Hasse und Porpora) und Komponistin war, Mitglied der „Accademia dell´Arcadia“, und ihre Werke sind ebenfalls Teil der Musiksammlung in Dresden. Da „Il Natal die Giove“ dieses Mal für den Hof und nicht für das einfache Volk geschrieben wurde, ist es in italienischer Originalsprache verfasst. Aus dieser Partitur haben wir die die „Lizenza“ bearbeitet, also die Schlussarie, die an Maria Antonia die Geburtstagswünsche übermittelt. Sie beginnt mit einem schönen Rezitativ „accompagnato“, in Klassik verklärte Emotionen (wegen dem frühen Verlust von Friedrich Christian und die Situation in Sachsen) und endet mit einer sehr melodischen und melancholischen Arie, die ebenfalls klassizistische Züge trägt und eher ein Gebet an die Götter ist (Jupiter in diesem Fall) für das Schicksal der Kurfürstin. Diese Serenata wurde im Jahr 1764 gespielt.



Die Oper „il re pastore“ von Johann Adolf Hasse

Johann Adolf Hasse schrieb die Oper nach einem Libretto seines Freundes Metastasio zum Geburtstag Augusts III. Es wurde am 7. Oktober 1755 in Hubertusburg aufgeführt, wo der sächsische König von Polen seine Jagd-Residenz hatte und wo auch ein Opernhaus stand. Bedeutende italienische Virtuosen der Zeit sangen die Hauptrollen. 1762, als der König mit seinem Hof ​​in Warschau lebte und preußische Soldaten Dresden verwüsteten, schrieb Hasse eine zweite Fassung (für die in Warschau angeheuerten neuen Stimmen) und teilweise andere Orchesterinstrumente verwendete. Es war die letzte Oper die Hasse für den Geburtstag Augusts III schrieb. Am 5.Oktober 1763 starb der König in Dresden.

Die Rollen sind alle im Sopranschlüssel geschrieben, mit Ausnahme von Alessandro (Altus). Aminta war ein hoher Kastrat (heute Mezzosopran oder hoher Countertenor), Elisa ein hoher Mezzosopran, Tamiris Sopran, Agenore ein hoher Sopran oder Sopranist und schließlich Alessandro ein Altus.

Die Musik ist meisterhaft geschrieben: man hört Hasse in seiner Reife als Komponist. Der Instrumenteneinsatz ist schön und reich, die Melodien edel und anmutig mit schönen, virtuosen Koloraturen. Hans Schnoor, die Musikwissenschaftler Rudolf Gerber und Friedrich Chrysander zitierend, schreibt: „Die Sichtung des Hassenschen Gesamtwerks, eine der lohnendsten, vordringlichsten Aufgaben künftigen deutscher und zwischenstaatlichen Wissenschaft, wird noch manche Überraschung ergeben. Gerber wies bereits, über die eminenten Forschungsergebnisse Mennickes hinausgreifend, nach, wieviel verinnerlichte Naturromantik in den Werken der späteren Zeit, selbst in den Arien („il re pastore“, Hubertusburg 1755) zu finden sei - eine musikalisch „Landschaftsmalerei“, die eines Weber und Schubert würdig ist. Volksliederartige Elemente finden sich bei Hasse in Parallele zu Händel, weiterhin ganz individuelle koloristische Züge und metrisch-rhytmische Bildungen sowie harmonische Eigentümlichkeiten, die einen gründlichen, systematischen Aufhellung gedürfen. Denkt man allein an die Dresdner musikalische Hochblüte um die Jahrhundertmitte, einen Gipfel und eine Wende in Hasses Leben und Wirken, so darf man doch wohl Chrysander recht geben, wenn er meint, die Beschäftigung mit der Kunst des „divino Sassone“ gleiche einer Entdeckungsreise in ferne Länder. Die Wunder des musikschöpferischen Genius liegen wahrlich in Hülle und Fülle greifbar zutage.


Fazit und Perspektiven

Die Beschäftigung mit den beiden Opern „Il re pastore“ von J.A.Hasse, J.Chr.Richter und dem Librettisten Pietro Metastasio in Dresden um 1762 ließen uns begreifen, dass die sächsische Landeshauptstadt zu dieser Zeit eine bedeutende Kulturmetropole in Europa war, und Schauplatz eines kulturellen Wendepunkts. Weiteres Studium und Erforschung dieses musikalischen Ereignisses (sowohl die Werke vor 1762 als auch die danach) würde helfen, die Bedeutung Dresdens als Ort eines kulturellen „Garens“ zwischen neuen und alten Tendenzen zu verstehen, zwischen deutsche, italienische Kultur, die Einflüsse anderen Kulturen aus dem Westen und Osten über das Reisen der Komödiantentruppen, und schliesslich das Zusammenleben zwischen der Katholischen und Protestantischen Kultur in Dresden, eine Stadt an der Grenze zwischen deutschsprachigem Raum, Böhmen und Polen. Das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger Dresdens und Sachsens aber auch Polens für die Kulturpolitik der beiden Augusten würde sich als sehr positiv erweisen: erstmal für das Erkenntnis der Wichtigkeit des sächsischen Barocks als Europäisches Kulturerbe ersten Ranges, zweitens für die polnisch-deutsche Freundschaft.

Das spätbarocke Erbe Dresdens sollte meiner Meinung nach in den Mittelpunkt des Interesses von Musikern und Jugendlichen in der Region und vor allem zwischen Polen, Sachsen und Böhmen rücken und die Auseinandersetzung mit diesem Erbe neue Impulse für die zukünftige Entwicklung der Region geben.

Ein weiteres Element ist die Rolle Sachsens, seiner Musiker und Philosophen für die Aufklärung und den Klassizismus in Sachsen und Polen. Das Erbe des Augustus in Sachsen und Polen war bestimmt inspirierend auch für den letzten polnischen König, Stanislaw August Poniatowski, der ebenfalls ein aufgeklärte Herrscher - zum Förderer der Kunst und Kultur wurde. Mit der Gelegenheit der Beschäftigung mit dieser Kunst, könnte auch der Rest Europas unsere Region besuchen und diesesTeil der europäischer Geschichte kennenlernen. Das würde auch eine Lücke füllen, da es weltweit ein großes Interesse für die Musik vor allem von Hasse existiert, was uns die viele lobende Nachrichten beweisen, die wir bekommen haben, sobald das Projekt veröffentlicht wurde.

Unter dieser Prämisse möchte sich die Autorin dieser Zeilen dieser Aufgabe auch weiterhin widmen. Als Vorsitzende des Ars Augusta e.V. und mit Hilfe des von ihr gegründeten polnisch-deutschen Lausitzer Barockensembles und der Erfahrung aus der Durchführung akademischer Projekte mit jungen Sängerinnen und Sängern, steht weiterhin als Ziel für die kommenden Jahren diese Schätze aus dem Dresdner Kulturerbe ausgraben, erforschen und aufführen, und zwar nicht nur aus der Zeit der Barockoper, sondern auch die unbekannte Entwicklung in der Musikkultur der Stadt um 1762, also der Wandel von Rockoko zur Klassik, das Singspiel (Hiller/Weisse) und die ersten deutschen Opern.

Sie möchte das in Zusammenarbeit mit Künstlern aus Sachsen und Polen machen und eine kleine Künstler-Truppe gründen, die sich dieser Aufgabe widmet und über die Jahre dokumentiert. Konkret, geht es um die Ausgrabung von Instrumentalwerken, Opern und Singspielen und deren Aufführung in Theatern der Region, wie der Scheune im Barockschloss Könighain oder dem Kurtheater in Bad Warmbrunn und schließlich auch in Hubertusburg, Dresden und dem Königlichen Theater in Warschau (Lazienki). Die Werke werden in Partituren, Videos und CDs dokumentiert. Das könnte eine Renaissance dieses Erbes bedeuten und unsere Region international attraktiver und sehenswerter machen. An diesen vier Orten könnte zum Beispiel im Jahr 2023 schon die erste Aufführung der Oper „Il re pastore“ von Johann Adolf Hasse starten.


QUELLEN

  1. Moritz Fürstenau „Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden nach archivalischen Quellen“ Dresden 1862 (Seiten: 17-18, 91, 341)

  2. Hans Schnoor „Dresden: Vierhundertjahre Deutsche Musik-Kultur“. Dresdner Verlagsgesellschaft, 1948 (Seiten: 59-95, 119-127)

  3. Friedrich Chrysander „Musik und Theater in Mecklenburg“ (Auf lexikus.de)

  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Pietro_Metastasio

Weitere online Quellen:

Daten über den Aufführungsort von Richters „Re pastore“: https://exhibits.stanford.edu/operadata/catalog/183-51885


Weitere Lektüre:

1. Margret Scharrer-Heiko Laß - Matthias Müller „Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa. Heidelberg 2020.

2. Johann Mattheson. „Der vollkommene Capellmeister“ Hamburg 1739



PARTITUREN, NOTEN UND LIBRETTI

der zwei Opern "Re pastore" von J.A.Hasse und J.Ch.Richter kann man unter dem Link: https://www.arsaugusta.org/sachsens-opernschätze finden.



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