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Der Grieche von nebenan (Gedanken zum Tod von Randy Braumann)

Es scheint so wenig Sinn zu haben, in diesen chaotischen Zeiten über Geist, Schönheit, Menschlichkeit und andere schöne Ideale zu schreiben. Aber ich muss doch jetzt für einen Augenblick im Wirbel um Korona, Kriege und Armut halten, und kurz Dich vor meinem geistigen Auge bringen. Plötzlich kommt die Stille. Und ich sehe einen Mann, weisse lange Haare, Schnurrbart, wunderschöne kluge blaue Augen und offenes warmherziges Lächeln, der mit lauter, entschlossener Stimme mich auf Griechisch grüsst „Kalimera Eleni“. Er hat etwas von Zorbas oder von Henry Miller, der auch in der 40-50er in Griechenland reiste. Aber Randy ist Deutsch und kein Roman-Schriftsteller. Er ist Kriegs-Reporter und Journalist, aus den Zeiten, wenn die Journalisten diesen Titel verdienten. Eine männliche Oriana Fallaci, der direkt vor Ort die grösste und gefährlichste Momente der Geschichte des 20.Jh erlebte. Dieses gefährliche Leben, der Kontakt zur Tiefe der menschlichen Natur, entfaltete in ihm die Weisheit. Es machte ihn allumfassend, zum Menschen, einen offenen und klarsehenden Mann. Wenn er angefangen hat zu sprechen, konntest du nur wiederholen „so ist es“ „so ist es“ „eben“. Ich hatte Dich damals zu uns eingeladen über Krieg und Frieden zu sprechen. Ich weiß was für ein echter Pazifist du bist.


„Pani Dorota“ nanntest du lächelnd deine perfekte Lebensgefährtin, die starke, ebenso weise Frau mit dem großen Herzen, die dich verstand, dich begleitete. Dorothea, unsere liebe Freundin und Nachbarin ist seit vorgestern allein.


Randy Braumann, der Nachbar von nebenan, war oft in der Nacht wach. Ich beobachtete das Licht am ersten Stock im Altbau gegenüber, in seinem Zimmer gegen 3 oder 4 Uhr nachts. „Randy wacht wieder, denkt er vielleicht an die Weltgeschichte, während alle Menschen schlafen?“. Ein Dezember-Kind, unter dem Sternzeichen von Schütze geboren. Ein gönnender weiser Mann, der für jeden ein Geschenk hatte, für jeden etwas Gutes zu vermitteln und sagen.


War es der kurdische Flüchtling, dem er in Hoyerswerda geholfen hat ein neues Leben aufzubauen, oder eben mich, die er an Andreas Voigt für seinen neuen Film vermittelt hat. Oder die viele Geschenke...


Mit „Den elpizo tipota, den fovoume tipota, eimai eleutheros“ dem Spruch von Nikos Kazantzakis an der ersten Seite, widmete er mir ein altes Buch mit griechischen Sagen und noch sein Artikel aus dem Heft von ADAC über Kreta, ein herrlich witzig und doch mit so viel Empathie geschriebener Artikel über die kretische Landschaft und Geschichte. Filme von Pasolini... Was für ein Geist.


Deutsche wie Randy Braumann kann jeder Mensch, jeder Europäer, jeder Grieche in seinem Herzen als seinen Bruder schliessen. Er war ein Humanist, ein Kosmopolit und so tief „ein Grieche“, wenn man unter diesem Wort die sonnige Natur und eine universale Weissheit versteht. Jeden Tag lief er bis zum Postplatz, um eine NZZ zu kaufen, die einzige Zeitung dier er noch lesen konnte. Alles andere war ihm unerträglich.


Eine andere Gewohnheit war für ihn, jeden Montag sich beim Grieche („Rhodos“ am Obermarkt) mit Ilias Papadopoulos und andere Freunde zu treffen. Immer schwieriger war aber der kurze Weg, besonders wenn man nach dem Essen noch einige Glässchen Weisswein getrunken hat. Die Beine sind immer schwächer, die Gesundheit immer prekärer, aber dieser Montagsbesuch zum Grieche ist das Einzige, das ihm noch Freude gibt. Bis Korona kam. Randy ist ein Freigeist. Er gehört - wie könnte es anderes sein, der Grieche?- zu den Zweiflern des Systems, ein Merkel-Kritiker, er träumt und wünscht sich eine Veränderung. Die Korona-Beschränkungen findet er eine Katastrophe. Was für einen Sinn hat das Leben (schon so schwer geworden) wenn man einem den einfachen Spaziergang in Freiheit oder das Reisen verbietet, die Kneipen und die Grenzen schliesst. Die Menschen können nicht mehr sich in die Augen schauen, das Lächeln spüren, den Händedruck. Viele Diktatoren und Kriege hat Randy erlebt, und doch das was man jetzt erleben müssste, hatte in einer seltsamen Weise einen ähnlichen Beigeschmack.

Er würde keinen Widerstand mehr leisten, wenn der Tod kommen würde. Und so gehört vielleicht Dein Tod zu denen durch dir Korona-Beschränkungen, die so unbedacht einige Leben und Existenzen zerstört haben.


Ich schreibe diese Gedanken aus Nafplion. Du hast mir eben gesagt, das letzte Mal als wir uns vor Deiner Tür sahen, dass Nafplion eine schöne Stadt wäre, und dass Du so viele schöne Erinnerungen hier hättest. Ich entschloss mich, hierhin zu reisen. Stell Dir vor, ich sitze in diesem kühlem August-Abend unter einem Zitronenbaum, die Zikaden und die Nachtvogel spielen leise ihre Musik. In Ingrids Bungalow sind viele Deutsche Gäste. Jemand hört „Ta paidia tu Peirea“ mit Melina Merkouri. Ich spüre Dich hier um mich und ich weiss Du bist frei und Du umgibst uns lächelnd und gigantisch. „Stin igeia su, Randy“. Auf wiedersehen da oben in den Sternen, wo Du sicherlich sehr viel über diese Welt mit deinen Freunden erzählst und lachst.



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