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Großes Theater im Museum "Gerhart-Hauptmann-Haus"

Am 10.Oktober 2020 (mit einer Wiederholung im Herrenhaus Gosswitz am nächsten Tag) haben wir einen komplet vergessenen Komponisten aus dem Kreis von Gerhart Hauptmann wieder entdeckt. Es geht um Max Marschalk, Komponist, Verleger, Musikkritiker aus der Berliner Theaterszene um die Jahrhundertwende und Bruder von Margarete Marschalk, die zweite Ehefrau von Gerhart Hauptmann.

Die Aufführung war von großem Erfolg gekrönt und nicht nur wegen der herrlichen Musik und der ausserordentlichen Kulisse der Paradieshalle in Villa Wiesenstein, sondern vor allem dem Charisma der fünf Teilnehmer.

Der 21-jährige Pianist Mateusz Slowikowski hat souverän und mit großen Einfüllungsvermögen die schwierige Musik am Klavier gespielt. Ich, Vereinsvorsitzende, habe meine erste Regie geführt. Die Arbeit mit Sänger als Schauspieler ist faszinierend. Der Sänger macht Theater nicht nur mit seinem Körper und Sprache sondern auch mit dem Gesang. Das Stück von Marschalk, schwebend zwischen Naturalismus und Symbolismus, gab an die drei Protagonisten eine perfekte Gelegenheit, echte Magie zu schaffen. In diesem Bericht, möchte ich meine persönliche Eindrücke über diese wunderbare Sänger schreiben.


Małgorzata Przybysz als Marie in der Paradieshalle

Die Haupt-Protagonistin in Max Marschalks „Wichtelchen" ist „Marie“, eine Rolle direkt aus der Tradition des Theaters des Naturalismus: ein braves Hausmädchen, das sich am Ende als Kindermörderin entpuppt.

Malgorzata Przybysz ist eine „erwachsene" Sängerin, die nicht nur ein hochkarätiges Studium absolviert, sondern im Laufe ihrer Karriere auch Erfahrung auf internationalen Bühnen und Festival gesammelt hat. Dennoch war ihr erfolgreicher Auftritt als Marie in der Uraufführung (in modernen Zeiten) der einaktigen Oper „Das Wichtelchen“ von Max Marschalk auch für sie eine Art Premiere.

Die Mezzosopranistin ist erst vor wenigen Monaten in ihre Geburtsstadt Hirschberg (Jelenia Gora) zurück gekehrt, um dort ein neues Leben zu beginnen. Sie lebte zuletzt in Braunschweig, wo sie neben kleinen Auftritten vollberuflich als Altistin im Chor gesungen hat. Dass man eine Künstlerin wie sie, die definitiv eine Stimme für Solo-Partien besitzt und über eine herausragende Musikalität verfügt, zuletzt als Choristin beschäftigt hat, ist schlichtweg unverständlich. Es gibt ein Phänomen, das in der Opernwelt seit längerem grassiert - nämlich die schlechte Führung und Förderung von Talenten in der Welt des Musik-Theaters, mit dem Ergebnis, dass berufene und talentierte Musiker, die zugleich gute Schauspieler sind, zunehmend seltener werden und damit nicht nur das Niveau in der Opernwelt sinkt, sondern auch deren besondere Magie immer mehr verblasst.

Vor diesem Hintergrund ist es unbestreitbar ein großer Verdienst unseres Vereins Ars Augusta, dass wir Frau Przybysz eine kleine, aber ungewöhnlich atmosphärische Bühne geboten haben, auf der sie ihr ganzes Können zeigen konnte. Dies sogar in ihrer Heimat, gerade recht zum Beginn ihres neuen Lebensabschnitts dort, der beruflich hoffentlich erfüllender und erfolgreicher für sie verlaufen möge als in Deutschland!

Malgorzata hat natürlich eine Stimme erster Klasse. Nicht nur das warme, leicht traurige Timbre, das zur Romantik perfekt passt, sondern auch das Gleichgewicht zwischen Dramatik und Lyrik ist besonders überzeugend. Auch wenn die Diktion des deutschen Textes noch verbessert werden kann, ist Malgorzata als eine perfekte Wagnerianerin, ideal für Partien wie Brangäne, Waltraute oder sogar Kundry. Wir schätzen uns jedenfalls glücklich, mit ihr zusammen künftig Liederabende zu gestalten und natürlich möglichst viele Wiederholungen des „Wichtelchens" in Görlitz und dem Rest der Republik!


Małgorzata Przybysz und Mikołaj Bońkowski im Herrenhaus Gosswitz

Mikołaj Bońkowski (Bass), hat im "Das Wichtelchen" von Max Marschalk die Rolle des Wichtels gespielt. In der Partitur gab es keine Bezeichnung für die Stimmen der Musiker: Ohne viel zu denken, gab ich die Rolle der Marie an einem Mezzosopran, während für Hänschen war ein Kind vorgesehen, das wir nicht finden konnten. Für Wichtelchen dachte ich an einen Countertenor. Leider Unstimmigkeiten mit dem Sänger brachten mich auf die Idee die Rolle mit einem Bass zu besetzen. Nicht nur würde in dieser Weise der Quartett der Stimmen Komplet (mit Hänschen-Tenor und Hausfrau-Sopran) sondern auch ein neuer Aspekt der Rolle würde erscheinen: die des Richters oder des dunklen Geistes. Wahrhaftig, wir wissen bis zum Schluss nicht was das Wichtelchen symbolisiert. Was sind überhaupt die Naturgeister, die Menschen belohnen oder strafen, jenachdem wie sie sich verhalten? Menschen wie Carl Hauptmann, der sich mit Rübezahl identifiziert hat, hatten eine Bass-Stimme. Mefisto (Boito oder Gounod) ist ein Bass. Jeder Priester, Pfarrer, Vater, Richter - vor allem über die emanzipierte Frau, ist in der Oper ein Bass.

Zwar war Mikolaj mit ca. zwei Metern Körpergröße vielleicht nicht das, was man sich unter einem Wichtelchen vorstellt. Aber als sportlicher Mensch hat er seinen Körper so überzeugend eingesetzt, dass seine Grösse nie störend aufgefallen ist. Der junge Bass hat schauspielerische Erfahrung im Ensemble des berühmten alternativen Theaters KoZLA in Breslau gesammelt. Er hat also herrlich den Geist des Wichtels verkörpert, der über ein komplettes Register von Emotionen verfügte, von Verachtung, Ironie, Schalkhaftigkeit und Wahn bis hin zu Mitgefühl und Zärtlichkeit, und so dass die Energie zwischen den zwei Protagonisten von der ersten zur letzten Minute ununterbrochen fließen konnte. Eine große schauspielerische Leistung! Mikolajs Stimme ist eine echte Bass-Stimme, seidig und warm. Das beste an seinem Vortrag ist jedoch die perfekte Diktion: Er weiss wie man Sprechgesang führt, und das, ohne das Legato zu zerstören. Er versteht seinen Text und seine Zuhörer deshalb ebenso. Die Verbindung von Gesang und Aktion ist so konsequent, dass die Illusion des Theaters perfekt ist. Es ist ein Segen aber auch eine Gefahr für einen Sänger, wenn er nicht nur eine gute Stimme sondern auch ein schauspielerisches Talent besitzt. Er trägt die Verantwortung zwischen den zwei Extremen ein Gleichgewicht zu finden.

Es ist daher zu begrüßen, dass Mikolaj in diesem Herbst sein Studium an der Hochschule für Musik in Dresden begonnen hat. Ein diszipliniertes Studium des Lieds, des Oratoriums und der Opern von Mozart und der Barockmusik würde seiner Stimme sehr gut tun. Ich kenne das von Donald McIntyre, an dessen Stimme mich die von Mikolaj erinnert. Er hat damals mit Messias und Barock-Opern angefangen und wurde später zu einem der bedeutendsten Wagner-Bässe der Welt. Ich kann mir vorstellen, dass er als Mephisto in der Oper von Arrigo Boito sicherlich riesigen Erfolg haben würde. Mit Fiodor Chaliapin verbindet ihn nicht nur die Körpergrösse, sondern auch die Vielseitigkeit und das einzigartige Timbre.


Christian Bild als Hänschen, mit Malgorzata Przybysz.

Christian Bild (Tenor) als "Hänschen". Marie, das Hausmädchen, sitzt in der Küche, Hänschen und seine Mamma kommen dazu. Hänschen liebt die Erzählungen und die Lieder, die Marie ihm abends singt, Lieder, die eine gewisse grausame Note haben, wie übrigens viele Märchen des Mitteleuropäischen Raumes. Er fragt sie, woher sie alle diese Lieder kennt. Sie antwortet, es sei ein Wichtelchen, das sie ihr beibringt. Hänschen geht schlafen in der Hoffnung, dass auch ihm ein Wichtelchen eines Tages Lieder vorsingen wird.

Die Rolle von Hänschen hat der junge Tenor Christian Bild mit Humor und Talent zur Improvisation gespielt. Es war nicht schwer für ihn das Kind zu verkörpern, obwohl sein Repertoire eher aus romantischen Rollen wie Tamino und Don Ottavio besteht. Als Schauspieler und Komödiant hat er uns tatsächlich überrascht. Die Stimme war klar und die Diktion perfekt. Im Übrigen ist Christian auch ein wunderbarer und freundlicher Kollege. Wir wünschen ihm das Beste für den Abschluss seines Studiums an der Musikakademie in Breslau und eine schöne Karriere im Anschluss.

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